Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXX. Jahrgang, 1919. (30)

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Der RKbschied von den Kolonien im Harlament. 
Reden des Reichskolonialministers Dr. Bell in der Sl#zung der Deutschen Nationalversammlung 
vom 11. Okhtober 1919. 
I. 
Meine Damen und Herren! Sie werden es dem 
nach menschlichem Ermessen für absehbare Zeit letzten 
Leiter des Reichskolonialministeriums nachfühlen 
können, daß er gerade heuer mit besonders bitteren 
Empfindungen und herbem Schmerz seinen Etat vor 
dem Reichstag vertritt. Kein Amt ist durch den un- 
glückseligen Friedensvertrag, der uus von der Entente 
aufgezwungen worden ist, schwerer getroffen worden 
als das Reichs-Kolonialamt. (Sehr wahr!) Der Ver- 
lust unserer Kolonien wird naturnotwendig in naher 
heit auch das Reichskolonialministerium tödlich treffen. 
Das ist um so bedauerlicher, als gerade dieses Amt 
eine besonders ehrenvolle Vergangenheit hat, wenn es 
auch gewiß manchen harten Strauß im Reichstage 
ausstehen mußte. 
Der Herr Berichterstatter hat bereits zutressend 
darauf hingewiesen, daß der Verlust unserer Kolonien 
nicht die sofortige Auflösung des Reichskolonial= 
ministeriums zur Folge haben könne. Die entgegen- 
gesetzte Auffassung ist leider weiter verbreitet, als man 
bei richtiger Würdigung der obwaltenden Verhältnisse 
annehmen sollte. Schon der Vergleich mit irgend- 
einem Privatbetriebe, einer Handelsgesellschaft, die in 
Liquidation geraten ist, sollte zu der Schlußfolgerung 
führen, daß auch das Reichskolonialministerium nicht 
von heute auf morgen zum Abschluß gebracht werden 
kann. Wenn schon eine in Licquidation geratene 
Handelsgesellschaft eine geraume Zeit und einen be- 
trächtlichen Beamtenapparat erfordert, um die Liqui= 
dation durchzuführen, dann wird das erst recht der 
Fall sein müssen bei einem so ausgedehnten öffent- 
lichen Betriebe wie dem mit vier Abteilungen aus- 
gestatteten Kolonialministerium, das zur Bewältigung 
der ihm obliegenden Geschäfte über einen sehr großen 
Beamtenapparat verfügt und dem insbesondere auch 
die Schutztruppen unterstellt waren. 
Meine Damen und Herren! Die Aufgaben des 
Reichskolonialministeriums seit dem Verlust unserer 
Kolonien erschöpfen sich keineswegs elwa in der Liqui- 
dation des Ministeriums. Wäre uns nur diese Auf- 
gabe zugewiesen, so würden wir ihrer in wenigen 
Wochen Herr werden. Aber weit darüber hinaus, wie 
der Herr Berichterstatter schon angedentet hat, erstreckt 
sich der Aufgabenkreis dieses Liquidationsamtes. Die 
Aufgaben kann ich in fünf Kreise zusammenfassen: 
Zunächst die Ausführung des Friedensvertrages, ferner 
die Abwicklung der Berwaltungen sämtlicher Schutz- 
gebiete, weiter die Abwicklung der Finanzgeschäfte der 
Schutzgebiete für die gange Kriegszeit, sodann die Ab- 
rechnung mit den aus den Schutzgebieten zurück- 
  
kehrenden Beamten= und Schutztruppenangehörigen, 
deren Zahl sich anf über 3000 beläuft, und endlich 
die Vorbereitung der Entschädigung der Kolonial= 
deutschen. 
Daß diese Abwicklung umfangreicher Geschäfte 
einen angemessenen Zeitraum und einen entsprechenden 
Beamtenapparat ersordert, werden Sie ohnc weiterer 
begreiflich finden. Dabei glaube ich aber dem Reichs- 
tage die Versicherung geben zu sollen, die ich bereite 
im Hauptansschuß zum Ausdruck gebracht habe, daß 
es die Hauptausgabe des Reichskolonialministeriums 
und seines Leiters ist, die Liquidation schon mit Rück- 
sicht auf die gebotene Sparsamkeit mit aller Beschleuni- 
gung durchzuführen. Wir werden dabei auch, was die 
Zurdispositionsstellung von Beamten, so schmerglich sie 
gewiß ist, anlangt, uns nur von sachlichen Erwägungen 
leiten lassen. In diesem Zusammenhang kann ich aller- 
dings den schon vom Herrn Berichterstatter hervor- 
gehobenen Gedanken nicht unausgesprochen lassen, daß 
es die Ehrenpflicht des Reichskolonialministeriums ist, 
für diejenigen Beamten, die im Kolonialministerium 
wegen des urnverzüglich durchzuführenden Abbaus 
leider nicht mehr verwendet werden können, für ander- 
weitige Unterbringung nach Möglichkeit zu sorgen. 
Der verantwortliche Leiter des Reichskolonialmini- 
steriums ist sich dieser Ehrenpflicht in vollem Umfsange 
bewußt, und er wird nach wie vor in diesem Sinne 
tätig bleiben. (Bravo!) Auf Veranlassung des Reichs- 
kolonialministeriums ist bereits eine besondere Stelle 
im Reichsministerium des Innern errichtet worden, 
deren Aufgabe es ist, für die Unterbringung derjenigen 
Beamten und Angestellten zu sorgen, deren weitere 
Beschäftigung in ihrem bisherigen Amt durch Auflösung 
der Behörde unmöglich geworden ist. Wir werden 
diese Beamten derart unterzubringen bemüht bleiben, 
daß die neue Anstellung ihren Fähigkeiten, Kenntnissen 
und praktischen Erfahrungen möglichst entspricht. Auch 
von dieser Stelle aus möchte ich nicht unterlassen, was 
ich bereits schriftlich und mündlich wiederholt getan 
habe, an alle in Betracht kommenden Reichsressoris 
die dringende Bitte zu richten, bei Neuanstellung von 
Beamten und namentlich auch bei der Neubildung von 
Amtern und Ressorts in erster Linie auf unsere Ko-= 
lonialbeamten Rücksicht zu nehmen. (Sehr guti) Ich 
kann das aus gewissenhafter Überzeugung um so eher 
tun und namentlich auch im Reichsinteresse um so 
mehr verantworten, als ich aus der gesamten Zeir 
meiner Leitung des Reichskolonialministeriums genau 
weiß, daß es sich hier um einen ebenso tüchtigen wie 
geschulten und zuverlässigen Beamtenkörper handelt. 
Wenn es im allgemeinen die Verpflichtung des Reichs
	        
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