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Das zweite belgische Graubuch enthält unter der Wiedergabe des vorstchenden
Schreibens vom 29. August 1914 folgende Bemerkung, die nicht anders als ein unfairer Ver-
such zur Verdunkelung der Tatsachen bezeichnet werden kann:
„ C'est dans ces conditions dufun mois plus tard furent entreprises, à
Uentremise du gouvernement des Etats-Unis, de tardives et illusoires démarches
du Gouvernement allemand tendant à la neutralisation du Bassin conventionncl
du Congo.
Die belgische Regierung weiß sehr wohl, daß diese Schritte Deutschlands nicht vier
Wochen später, sondern eine Woche früher (22. August) unternommen wurden. Die Note lautete:
Schreiben des Unterstaatssekretärs im Auswärtigen Amt an den Botschafter der
Vereinigten Staaten in Berlin.
Auswärtiges Amt. Berlin, den 23. August 1914.
Der Unterzeichnete beehrt sich Seiner Exzellenz, dem Botschafter der Vereinigten
Staaten von Amerika, Herrn Gerard, nachstehendes mitzuteilen:
Artikel 11 der Kongo-Akte vom 26. Februar 1885 sieht vor, daß die in der kon-
ventionellen Freihandelszone liegenden Kolonien neutralisjert werden sollen, wenn das betreffende
Mutterland in einen Krieg verwickelt wird; und zwar verpflichten sich die die Akte unter-
zeichnenden Mächte, ihre guten Dienste zu leihen, damit im Einverständnis mit den krieg-
führenden Teilen die Neutralität der betroffenen Gebiete erklärt wird.
Die zur Zeit im Kriege befindlichen europäischen Staaten besitzen in der Freihandels-=
zone folgende Gebiete:
Deutschland: Ganz Deutsch-Ostafrika, etwa ein Drittel von Kamerun;
England: Ganz Britisch-Ostafrika, das ganze Uganda-Protektorat, das ganze
Nyassaland-Protektorat, einen kleinen Teil von Nord-Rhodesien;
Frankreich: Etwa die Hälfte von F torialafrika;
Belgien: Den ganzen Belgisch-Kongo.
Nach den bisherigen Nachrichten sind zunächst von England zwei feindselige Akte
im Gebiet der Freihandelszone unternommen worden: Die Beschießung von Daressalam und
die Wegnahme des DampfersHermann von Wissmannd auf dem Niassasee.
Aus den Protokollen der Konferenz von Berlin 1884/85 geht hervor, daß Kap. III
der Kongo-Akte mit den die Neutralität behandelnden Artikeln 10, 11, 12 einer Anregung des
Vertreters der Vereinigten Staaten von Amerika, Mr. John A. Kasson zu danken ist. Bereits
in der zweiten Sitzung (vgl. Protokoll Nr. 2 vom 19. November 1884) verlas Mr. Kasson eine
Erklärung, aus der der dringende Wunsch seiner Regierung hervorgeht, daß das Freihandels-
gebiet bei Kriegen zwischen zivilisierten Mächten nicht in Mitleidenschaft gezogen werde.
In einem am 10. Dezember 1884 (vgl. Anlage Nr. 13 zum Protokoll Nr. 5 vom
18. Dezember 1884) vorgelesenen Exposé führte Mr. Kasson eingehend und überzeugend die
für eine Neutralisierung sprechenden Gründe aus. Die verschiedenen Nationalitäten in den
ersten amerikanischen Kolonien hätten bei kriegerischen Verwickelungen unter den Indianern
Bundesgenossen gesucht, und dieses Verfahren habe seinerzeit zu den gräßlichsten Folgen
geführt. Ebenso würden in Afrika kriegerische Unternehmungen der Europäer gegeneinander
die ganzen Fortschritte in der Zivilisierung der Neger, vor allem die ganzen Erfolge der
Missionen zerstören.
Diesen Ausführungen ist auch heute noch durchaus zuzustimmen. Deutschland ist
daher bereit, sein Einverständnis mit der Neutralisierung der in der Freihandelszone liegenden
Kolonien auszusprechen.
Mit Rücksicht auf das lebhafte Interesse, das die Regierung der Vereinigten Staaten
von Amerika anläßlich der Konferenz von Berlin 1884/85 der Frage der Neutralisierung der
in der Freihandelszone liegenden Kolonien entgegengebracht hat, beehrt sich der Unterzeichnete,
die gütige Vermittelung Seiner Exzellenz des Botschafters der Vereinigten Staaten von Amerika,