Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

316 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 
hat das Gesetz nur subsidiäre Geltung; es kommt nur zur Anwendung 
als nicht durch kaiserliche Verordnung abweichende Vorschriften er- 
lassen sind (8 55)!). 
4. Durch das Reichsgesetz v. 7. Sept. 1911 (RGBl. S. 897) sind die 
Tagegelder, Fuhrkosten und die Umzugskosten der etatsmäßigen Kolo- 
nialbeamten bei Dienstreisen außerhalb der Schutzgebiete oder zwi- 
schen verschiedenen Schutzgebieten, sowie für die Heimreise und Ver- 
setzungen festgestellt (88 1—15). Für die nicht etatsmäßigen Kolonial- 
beamten werden die ihnen zu gewährenden Vergütungen innerhalb 
dieser Beträge von der obersten Reichsbehörde (Kolonialamt) festge- 
stellt ($ 16. 17). Auf Dienst- und Versetzungsreisen innerhalb eines 
Schutzgebiets findet dieses Gesetz keine Anwendung ($ 19). 
XlHl Für Gesellschaften), welche sich für die Kolonisa- 
tion der deutschen Schutzgebiete, für den Betrieb wirtschaftlicher 
Unternehmungen in denselben oder für ihre Verwaltung bildeten, er- 
wiesen sich die rechtspolizeilichen Vorschriften des Aktiengesetzes als 
hinderlich und zu beengend. Man ergriff daher anfangs den Ausweg, 
um für solche Gesellschaften die juristische Persönlichkeit zu erlangen, 
sie nach den Regeln des preußischen allgemeinen Landrechts zu or- 
ganisieren. Da dies aber im Grunde genommen eine offiziell gestattete 
Umgehung des Aktiengesetzes war, dieser Ausweg auch nur für die- 
jenigen Gesellschaften, welche in Preußen und zwar im Geltungsge- 
biet des allgemeinen Landrechts ihren Sitz haben, möglich war, da 
ferner das vom preußischen Landrecht aufgestellte Erfordernis eines 
gemeinnützigen Zweckes bei reinen Erwerbsgesellschaften nur kraft 
einer gewagten Fiktion als gegeben erachtet werden konnte, da end- 
lich die Genehmigung und Beaufsichtigung von Gesellschaften, deren 
geschäftliche Tätigkeit in den dem Reich gehörenden Schutzgebieten 
sich entfaltet, von seiten des preußischen Ministeriums mit prak- 
tischen Mißständen verbunden war, so hat das Reichsgesetz vom 
15. März 1888, 8.8fg. die erwähnten Gesellschaften von den Vor- 
schriften des Aktiengesetzes befreit und die Erlangung der privatrecht- 
lichen Persönlichkeit (Rechtsfähigkeit, Korporationsrechte) für sie er- 
leichtert. Der wesentliche Unterschied dieser Kolonialgesellschaf- 
ten gegen die Aktiengesellschaften besteht darin, daß ein Grund- 
kapital nicht zu den Erfordernissen der Errichtung gehört. Damit 
fallen zugleich die zahlreichen Vorschriften des Aktiengesetzes fort, 
welche die reelle Beschaffung und Erhaltung des Grundkapitals be- 
1) Für die Beamten der Landespolizei in Deutsch-Südwestafrika ist eine kaiserl. 
Verordn. vom 4. Okt. 1907 (RGBl. S. 736) ergangen. 
2) Ueber die Kolonialgesellschaften gibt es eine reiche Literatur. Kayserin 
der Deutschen Weltpost von 1887, S. 45 ff., 57 ff.; Vict. Ring, Deutsche Kolonial- 
gesellschaften, Berlin 1888; Veit Simon in der Zeitschrift für das gesamte Handels- 
recht Bd. 34, S. 85 ff.; v. Stengel in Schmollers Jahrb. Bd. XII, S. 219 ff., und in 
Hirths Annalen 1889, S. 90 ff.; Meyer S. 129 ff.
	        
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