Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

- 8 71. Die Gesandtschaften. 7 
Verfügungen, durch welche Handlungen oder Unterlassungen an- 
befohlen werden, können Gesandte demnach nicht erlassen, da sie 
nicht in der Lage sind, die Befolgung ihrer Befehle zu erzwingen. In- 
des gibt es einige Fälle, in welchen die Reichsgesetzgebung die Ge- 
sandten neben den Konsuln zur Vornahme obrigkeitlicher Funktionen 
zuläßt'. Da es sich in allen diesen Fällen um Privatangelegen- 
heiten einzelner Reichsangehöriger (oder Schutzgenossen) handelt, so 
sind diese Funktionen ihrem Wesen nach konsularische; die 
Gesandten verrichten Geschäfte, die der Regel nach nicht ihnen, sondern 
den Konsuln obliegen, und die ihnen nur aus Rücksichten der Zweck- 
mäßigkeit und Bequemlichkeit aufgetragen werden können; diese Amts- 
befugnisse werden daher bei der Darstellung des Konsulatwesens ($ 72) 
erörtert werden. Für die Gesandten bilden diese Geschäfte jedenfalls 
einen sehr unerheblichen Teil ihrer Aufgabe. 
Im übrigen ist ihre Tätigkeit durch Rechtssätze nicht geregelt. Bei 
keinem Zweige der gesamten Staatsverwaltung tritt die Freiheit der- 
selben von gesetzlichen Vorschriften deutlicher vor Augen als bei der 
Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten; dieselbe ist an keinem 
Punkte Ausführung von Gesetzen, sondern sie ist, von den erwähnten 
Ausnahmen abgesehen, durchweg vom freien Ermessen, von Erwä- 
gungen der Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit geleitet. Je weniger aber 
das Gesetz die Tätigkeit der Gesandten regelt, desto bedeutungsvoller 
wird die Leitung dieser Tätigkeit durch die vorgesetzte Behörde, also 
durch den Reichskanzler. Die strenge Gehorsamspflicht gegen dienst- 
liche Befehle, die vollkommene Beherrschung der Tätigkeit der ein- 
zelnen Beamten durch den leitenden Chef, also die strenge Ordnung 
innerhalbdes Verwaltungsapparats ist das Korrelat der Ungebunden- 
heit dieser Verwaltung als Ganzes. Die auswärtigen Angelegenheiten 
stehen in dieser Hinsicht unter allen Verwaltungszweigen dem Militär- 
wesen am nächsten. 
Die Tätigkeit der Gesandten wird demnach geregelt durch die In- 
struktionen oder Anweisungen, welche der Reichskanzler ihnen 
erteilt. Außer der möglichst getreuen und geschickten Ausführung der- 
selben liegt den Gesandten ferner ob die zuverlässige und wahrheits- 
getreue Berichterstattung an den Reichskanzler sowohl über 
die Ausführung der ihnen aufgetragenen Geschäfte als auch über alle 
aus!? Vgl. auch oben Bd. 1, 8 44; Meyer-Dochow, Verwaltungsrecht S. 6, 471; 
Schulze II, S. 336. Im Wörterbuch des St.- u. Verw.R. (2. Aufl.) Bd. II, S. 207 hat 
Zorn seine Ansicht berichtigt. 
1) Erteilung von Pässen, Reichsgesetz vom 12. Oktober 1867, 86; Legali- 
sation von Urkunden, Reichsgesetz vom 1. Mai 1878, 8 2 (Reichsgesetzbl. S. 89) und 
Zivilprozeßordnung $ 4388; Zustellungen, Zivilprozeßordnung $& 199; endlich 
standesamtliche Verrichtungen, Reichsgesetz vom 4. Mai 1870, $ 1 (Bundes- 
gesetzbl. S. 599) und vom 6. Februar 1875, $ 85, Abs. 2, Einf.Ges. zum BGB. Art. 40, 
— Ueber das Recht desersten Angriffs bei Verbrechen, welche von exter- 
ritorialen Personen verübt werden, vgl. Meyer-Dochow, Verw.R. S. 472.
	        
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