Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 74. Das Eisenbahnwesen. 137 
nutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Verteidigung Deutschlands 
haben sämtliche Eisenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. 
Insbesondere ist das Militär und alles Kriegsmaterial zu gleichen er- 
mäßigten Sätzen zu befördern.« 
Die Geltung dieses Rechtssatzes ist nicht auf den Fall des Krieges 
oder der Kriegsvorbereitungen beschränkt, sondern er findet auch im 
Frieden Anwendung, da er nur eine Benutzung der Eisenbahnen zum 
Zweck der Verteidigung Deutschlands voraussetzt, diesem Zwecke 
aber das Kriegsheer und die Marine auch im Frieden dienen !, Durch 
diese Vorschrift sind sämtliche Eisenbahnen Deutschlands zur vollen 
und uneingeschränkten Disposition für Militärzwecke gestellt, und zwar 
steht den Eisenbahnverwaltungen gegen die Verfügungen der Reichs- 
behörden keinerlei Beschwerde- oder Rekursrecht mit aufschiebender 
Wirkung zu, sie müssen vielmehr »unweigerlich« Folge leisten. Eben- 
sowenig haben sie ein Mitbestimmungsrecht über die Tarife für die 
Transporte von Truppen und Kriegsmaterial; die Entschädigung soll 
vielmehr für sämtliche Eisenbahnen die gleiche sein ?) und ist vom 
Reich festzustellen. 
Eine nähere Präzisierung haben die im Art. 47 der Reichsverfas- 
sung enthaltenen Grundsätze hinsichtlich des Maßes der Leistungen, 
welche von den Eisenbahnverwaltungen gefordert werden dürfen, durch 
die Reichsgesetze über die Militärlasten erhalten. Vgl. darüber Bd. 4 
8 111, 112. 
VI. Zur Ausübung der in den Art. 41—47 der Reichsverfassung 
dem Reiche zugeschriebenen Befugnisse ist das Reichseisenbahn- 
amt in Berlin errichtet (siehe Bd. I, S. 400). Die Tätigkeit desselben 
ist infolge des im Art. 46, Abs. 2 begründeten Sonderrechts Bayern 
gegenüber im wesentlichen ausgeschlossen. Nur soweit die Art. 41, 
46, Abs. 3 und 47 Veranlassung zu einem Einschreiten oder zu einer 
Vorbereitung oder Begutachtung von Gesetzentwürfen geben sollten, 
würde die Kompetenz des Reichsamtes auch auf Bayern sich erstrecken. 
Dem Reichseisenbahnamt liegt ob, die allgemeine, dem Reiche nach 
Art. 4 der Reichsverfassung zustehende Aufsicht über das Eisenbahn- 
wesen wahrzunehmen und auf Abstellung der hervortretenden Mängel 
und Mißstände hinzuwirken °, sodann aber namentlich »für die Aus- 
führung der in der Reichsverfassung enthaltenen Bestimmungen sowie 
der sonstigen auf das Eisenbahnwesen bezüglichen Gesetze und ver- 
fassungsmäßigen Vorschriften Sorge zu tragen« *). Zu diesem Zwecke 
ist das Reichsamt befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit über alle Ein- 
1) Vgl. auch Seydel, Kommentar S. 282. 
2) In dieser Weise ist der Ausdruck bei den Beratungen des konstituierenden 
Reichstages von 1867 von dem Minister Delbrück interpretiert worden. Stenograph. 
Berichte S. 509. 
3) Fritsch im Wörterbuch v. Stengel-Fleischmann I S. 669 fg. 
4) Reichsgesetz vom 27. Juli 1873, $ 4, Ziff. 2.
	        
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