8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 63
richteten Telegramme können auf den Post- und Telegraphenanstalten
in Beschlag genommen werden. Ebenso ist es auch für zulässig er-
klärt worden, Briefe und Tlelegramme, welche nicht an den Beschul-
digten gerichtet sind, in Beschlag zu nehmen, wenn Tatsachen vor-
liegen, aus welchen zu schließen ist, daß sie von dem Beschuldigten
herrühren oder für ihn bestimmt sind und daß ihr Inhalt für die
Untersuchung Bedeutung habe!). Der Richter allein ist zur Beschlag-
nahme befugt; die Staatsanwaltschaft nur bei Gefahr im Verzuge und
auch dann nicht, wenn die Untersuchung bloß eine Uebertretung be-
trifft. Auch muß die Staatsanwaltschaft Briefe und andere Postsen-
dungen uneröffnet sofort dem Richter vorlegen. Wird die von der
Staatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme nicht binnen drei Tagen
von dem Richter bestätigt, so tritt sie von selbst außer Kraft?). Die
Beteiligten (d. h. Adressat und Absender) sind von der verfügten Be-
schlagnahme der Postsendung seitens des Richters oder Staatsanwalts
zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungs-
zweckes geschehen kann. Sendungen, deren Eröffnung überhaupt nicht
angeordnet wird oder deren Zurückbehaltung nach der Eröffnung nicht
erforderlich ist, sind den Beteiligten sofort auszuantworten). Wird der
Brief zurückbehalten, so ist dem Empfangsberechtigten derselbe ab-
schriftlich mitzuteilen, insofern nicht dessen Vorenthaltung durch die
Rücksicht auf die Untersuchung geboten ist*). Das staatsrecht-
liche Verhältnis der Postbehörden zu den Justizbe-
hörden bestimmt sich allgemeinen Prinzipien (vgl. Bd. 1, S. 460 ff.)
gemäß nach folgenden Sätzen. Die Postbehörde hat zu prüfen, ob die
Beschlagnahme der Postsendung oder Depesche von einer zu dieser
Verfügung überhaupt (in abstracto) zuständigen Behörde, d. h. dem
Richter oder Staatsanwalt, erfolgt ist; sie trägt hinsichtlich dieser Prü-
fung die Verantwortlichkeit. Die Auslieferung von Postsendungen usw.
an Polizei-, Steuer- oder Verwaltungsbehörden auf deren Ersuchen
würde eine schuldbare Verletzung des Briefgeheimnisses sein). Da-
gegen steht der Postbehörde keine Entscheidung darüber zu, ob in
concreto die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beschlagnahme be-
gründet und das vorgeschriebene Verfahren seitens der Justizbehörden
beobachtet worden ist; die Verantwortlichkeit hierfür wird ausschließ-
lich von der ersuchenden Justizbehörde übernommen ®).
1) Strafprozeßordnung 8 99. 2) Strafprozeßordnung $ 100, Abs. 1 u. 2.
3) Strafprozeßordnung $ 101. Die Erfüllung dieser Obliegenheit liegt den Justiz-
behörden ob; die Postverwaltung ist von jeder weiteren Verantwortlichkeit hinsicht-
lich der in Beschlag genommenen Postsendungen frei.
4) Strafprozeßordnung $ 101, Abs. 3.
5) Schwarze S. 104. Eine Ausnahme macht das Reichspreßgesetz 8 23, welches
die Polizeibehörde zur Beschlagnahme von Druckschriften ermächtigt. Vgl. die Aus-
führungen von Stenglein, Strafr. Nebengesetze des D. R. zu S$ 23ff.
6) Schwarze a.a.0.; Löwe zu $ 99, Note 6, zu 8 100, Note 2c; Dambach-
v. Grimm S. 62.