Kriegsausbruch 43
bündeten Regierung über den Umfang der Umtriebe, die Meldung, daß
die Spuren der Mörder zu amtlichen serbischen Stellen führten, und
das Urteil der österreichischen Diplomatie über die notwendigen
Schritte zeigten den ganzen Ernst der entstandenen politischen Lage.
Der Kaiser entschloß sich unter diesen Umständen, auf die Nordlands-
reise zu verzichten. Aber der Reichskanzler von Bethmann stellte ihm
vor, daß dies die politische Spannung vermehren würde. So blieb es
gegen den kaiserlichen Willen bei den Anordnungen für die Reise. Am
6. Juli dampfte die „Hohenzollern“ in Begleitung des Kreuzers „Ro-
stoc“ und des Depeschenbootes „Sleipner“ nach Norwegen ab. Das
politische Barometer in Berlin war auf Frieden eingestellt worden.
Der Generalstab war seit vielen Jahren an politische Krisen gewöhnt.
Die jetzt ausgebrochene war allerdings durch verschiedene Umstände eine
besonders schwere. Daß mit dem ermordeten Thronfolger ein unbe-
dingt zuverlässiger Freund Deutschlands dahingegangen sei, war
nicht die herrschende Ansicht. Wohl aber bestand die Uberzeugung, daß
mit ihm eine stark ausgeprägte Persönlichkeit mit festem Willen be-
seitigt war, deren es bedurfte, wenn das in absehbarer Zeit zu erwar-
tende Ableben des Kaisers Franz Joseph schwere Erschütterungen für
das komplizierte Staatsleben des verbündeten Osterreich-Ungarn brachte.
Der nunmehrige Thronfolger Erzherzog Karl war jung und unerfahren.
Dazu kam, daß aus Rußland Meldungen vorlagen über vorläufig
schwer kontrollierbare, von der russischen Regierung abgeleugnete
Truppenverschiebungen aus Sibirien nach dem europäischen Rußland
und über Probemobilmachungen, die die Schlagfertigkeit des russischen
Heeres erhöhten. Dennoch galt aber auch für den Generalstab die
von der politischen Reichsleitung ausgegebene Parole, jede weitere Er-
regung der öffentlichen Meinung zu vermeiden.
An der für den Sommer getroffenen Zeiteinteilung wurde nichts
geändert. Die Vorbereitungen für das Kaisermanöver im Herbst zwi-
schen dem VII. und VIII. Armeekorps am Rhein waren beendet, die
Urlaubszeiten im Generalstab verteilt. So hielt der Chef des General-
stabs, Generaloberst von Moltke, an dem ihm für den Juli verordneten
Kuraufenthalt in Karlsbad fest. Bei Lage der Dinge herrschte die Uber-
zeugung, daß auch diese politische Krise wieder wie die vorhergehenden
ohne Appell an die Waffen vorübergehen werde. Eine außergewöhnliche
Verstärkung des Nachrichtendienstes gegen Rußland wurde noch nicht