Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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64. Einwanderungen der evangelischen Höhmen während des dreißig— 
jührigen Krieges und nach demselben.“) Die böhmische Gemeinde in 
Dresden. Johanngeorgenstadts Entstehung. Was unter Johann Georg ll. 
zur Heilung der Wunden geschah, die der dreißigjährige Krieg geschlagen 
hatte. — Heidenraupenzucht. — Schönauer Damast. 
Die Noth, welcher abzuhelfen war, war eine doppelte, und zwar 
eine geistliche und eine leibliche. Zu Anfange des dreißigjährigen 
Krieges verließen viele evangelische Christen mit blutendem Herzen 
ihr Vaterland Böhmen, um eine zweite Heimat aufzusuchen, wo 
sie unangefochten ihres Glaubens leben konnten. Auch Dresden 
wurde im Jahre 1622 zur Zufluchtsstätte vieler ausgewanderter 
Böhmen auserkoren, und Johann Georg I. bereitete ihnen mit willigem 
Herzen ein zweites Vaterhaus, wo sie ihren Glauben frei und öffentlich 
bekennen durften. Im Jahre 1650 geschah noch mehr für sie. Die 
böhmischen Evangelischen in Dresden erhielten als selbstständige 
Gemeinde eine eigene Kirche, in der sie in ihrer Muttersprache den 
Gottesdienst abhalten konnten. Gegenwärtig sind alle Gemeindeglieder 
der deutschen Sprache mächtig und ist deshalb der Gottesdienst in 
böhmischer Sprache seit dem Jahre 1838 eingestellt worden. 
Einige Jahre später wurde in einem andern Theile unsers 
Vaterlandes anderen ausgewanderten Glaubensbrüdern eine Zufluchts- 
stätte bereitet. Kaiser Ferdinand fühlte sich auf seinem Throne nicht 
glücklich, so lange er noch im Böhmerlande einen evangelischen Unter- 
than wußte. Die Bewohner der Städte Platten und Gottesgabe, 
welche bis zu Moritz' Zeiten (1547) zu Sachsen gehörten, waren 
meistentheils evangelisch und der Kaiser hatte unserm Kurfürsten noch 
im Jahre 1646 versprochen, ihnen völlige Religionsfreiheit zu gestatten. 
Versprochen wurde es, aber nicht gehalten, ja es ging sogar den Be- 
wohnern dieser Städte im Jahre 1653 der kaiserliche Befehl zu, ent- 
weder römisch-katholisch zu werden, oder Böhmen zu verlassen. Der 
Glaube, der ihnen bis jetzt Kraft verliehen hatte, Spott und Hohn 
zu ertragen, gab ihnen auch Muth, ihrem Vaterlande Lebewohl zu 
sagen. Mit sehr kärglicher Habe überschritt man die Landesgrenze 
und setzte den Fuß mit der Hoffnung auf sächsischen Grund und Boden, 
hier ein zweites Vaterland zu finden. 
Dicht an der Grenze machte man mitten im Walde auf dem 
Fastenberge Halt, wo man in armseligen Hütten, deren Bewohner 
etwas Bergbau auf Zinn und Eisen trieben, ein kümmerliches Obdach 
fand. Hier dünkte den unglücklichen Einwohnern, die ebenfalls meisten- 
d *) Der leichteren Uebersicht wegen ist hier beides zusammengenommen 
worden.
	        
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