Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Unser Vaterland ist fortan von den Hussiten für immer ver— 
schont geblieben. Nur nach und nach konnte sich das Land von den 
ihm geschlagenen furchtbaren Wunden erholen. Auf lange Zeit hinaus 
war der Wohlstand Sachsens vernichtet. Eine schwere Theuerung 
brach aus und Tausende kamen an den Bettelstab. Der Hussitenkrieg 
bleibt eine der furchtbarsten Heimsuchungen, die unser geliebtes Vater- 
land betroffen haben. 
Hier und da erinnern noch manche Einrichtungen an jene un- 
glückseligen Zeiten. So feiert man in Kamenz, das damals noch nicht 
sächsisch war, heute noch ein „Forstfest“". Mit diesem Feste hat es 
folgende Bewandtniß. Eine Abtheilung der gefürchteten Hussiten- 
horden nahte sich der mit Angst erfüllten Stadt und hauste eine 
Zeit lang in dem nahgelegenen Walde. An längeren Widerstand 
war nicht zu denken und der Stadt drohte gleiches Schicksal, wie 
den anderen eingeäscherten Ortschaften. Da wagte man es, das 
Herz der Barbaren zu rühren und zu versuchen, ob nicht vielleicht 
ein Funke Mitleid wach zu rufen wäre. Die Jugend sollte einen 
Bittzug veranstalten. In demüthigem Aufzuge erschien dieselbe vor 
dem feindlichen Anführer und bat flehentlich um Schutz für die Stadt. 
Dies wirkte. Der Anführer meinte, ihr habt das Unglück noch zu 
guter Zeit „gerochen“, und er zog mit seinen Scharen ab.') Zur 
Erinnerung an diese glückliche Errettung der Stadt feiert man auf 
einem freien Platze im Walde jenes Fest, welches namentlich zu 
einem Kinderfeste geworden ist. 
23. Der Bruderkrieg (1446—1451). 
Kaum hatte sich Sachsen von den furchtbaren Verheerungen, 
welche der Hussitenkrieg angerichtet, etwas erholt, als es von neuem 
die Waffen klirren hörte. Diesmal drang kein fremder Feind in 
unser Vaterland, nein, die Bewohner des Meißner= und Thüringer- 
landes zogen wider einander, bekämpften sich als die erbittertsten 
Feinde, raubten einander Hab und Gut und zerstörten Städte und 
Dörfer. Was führte aber die Bewohner Eines Landes zu einer so 
unglücklichen That? Einer der Söhne Friedrich des Streitbaren, 
Wilhelm, hatte die schönen Worte wieder vergessen, die der Vater 
auf seinem Sterbebette an seine Kinder richtete: „Seid einträchtig, 
gebet Einer dem Anderen nach und vergebet einander.“ Anfangs 
lebten die beiden Brüder Friedrich und Wilhelm in Liebe und 
Eintracht. 
*) Die Redensart: Du hast eine „Kamenzer Nase“ soll sich davon 
herschreiben.
	        
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