Full text: Großherzoglich Sachsen Weimar-Eisenachisches Regierungs-Blatt aufs Jahr 1817. (1)

nitiv seyn mlisse, hat zwar einige Zwelsel erweckt, 
indem wohl gefragt werden mag, ob solche mit 
der nothwendigen Aufklärung der factischen Um- 
fläude in jedem einzelnen Falle vereinbarlich sey; 
allein die Erfahrung, doß derselbe Grundsatz in 
andern Landen schon längst, ohne auf Schwierig- 
keiten zu stoßen, mit Nutzen befolgt worden ist, 
mußte jene Bedenken widerlegen, und dem Vor- 
theile, wolchen eine solche Bestimmung in den 
meisten Fällen verspricht, den Vorzug einräu- 
men, von dem möglichen Nachtheile in einem ein- 
zelnen Falle, zumal da dieser Nachtheil nur bei 
großer Unthätigkeit des Richters eintreten kann. 
Um jedoch neben der wichtigen Rücksicht, daß 
jeder geringsügige Rechtshandel so schnell als 
möglich zu Ende gebracht werde, die noch wich- 
tigere, das das wahre Rechisberhältuiß völlig 
aufgeklärt, und jeree Theil genugsam gehört 
werde, noch mehr gestchert zu sehen, und um ihre 
aufmerksame Theilnahme an der Sache zu bewei- 
sen, erlauben sich die getreuen Stände folgende 
wensge Bemerkungen zu dem Gesetzesentwurf: 
1) Das in g. 26. angedrohte Präjudiz, daß 
der Beklagte der Klage für geständig und über- 
führt, auch der Beweismittel seiner Einreden für 
verlustig zu achten, auf welches nach §. 63. so 
gleich erkonnt werden soll, wenn der Beklagte in 
dem ersten, kurz angesetzten Termine nicht er- 
scheint, und der Kläger ihn des Ungehorsams be- 
schuldigt hat, möchte, obgleich es der Analogle 
des ordentlichen Proresses völlig angemessen ist, 
doch bei dieser geringsügigen Sache aus dem 
Grunde nicht sogleich in der ersten Ladung anzu- 
drohen seyn, weil eben in diesen unbedeutenderen 
Streitigkeiten die Advocaten entbehrlich gemacht 
werden sollen, von einem Beklagten geringeren 
Standes aber nicht erwartet werden kann, daß 
er, ohne Jugiehung eines Rech'bbeistandes, die 
Wichtigkeit des ihm angedrohten Nachtheils deut- 
lich einsede. Daber möchte der im ersten Ter- 
min ausbleibende Beklagte nur in d'ie angedrohete 
Geldstrafe und in die Kosten des versäumten 
eimins zu verurkheilen, jenek wichligere Pid- 
judiz aber erst in einer zweiten Ladung zu einem 
anderweiten Termine mit 8tägiger Frist anzudro- 
en, und wenn auch dieser keine Folge geleister 
wird, dareuf iu e:kennen scyn. 
2) De Bestimmung des § o., daß das Ver- 
bör mit Pflegung dir Güte eröffnet werden soll, 
wird einer Beiichtigung dahin bedürfen, daß der 
Drklagte zueist über die Kl.ide und seine Einreden 
zu ven'tmen, usbd dann erst, nach Feststelung 
der Streitfrage, die Güte zu pflegen sey. 
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3) Bei den Bestlimmungen der #. 3“ bis 34, 
wird dem Richter die so nothwendige Sonderung 
der Antwort auf die Klage und der dägegen ver- 
gebrachten Einreden, auch daß er die Vollstaͤn- 
digkeit der Vertheidigung möglichst befördere, be- 
sonders und ausdrücklich zur Pflicht zu machen 
seyn, welches hauptsächlich in den beabsichtigten 
Fdllen, wo der Beklagte keinen Rechtsbeistand 
hat, nothwendig erscheint. 
4) Die sehr zweckmáßige Vorschrift des §. 70. 
möchte doch dahin zu modif#eiren seyn, daß es 
von dem Eimessen des Obergerichts abtänge, in 
denjenigen Fällen, wo die Verhandlung vor dem 
Untergerichte nicht deutlich oder vollständig er- 
scheint, noch eine ähnliche Verdbandlung, wie in 
erster Instanz, eintreten zu lassen. 
Demnüchst wird 
5) bei §. 65. auf den Fall, daß ein Termin 
circumducirt ist, zur Aufrechtbaltung der richter- 
lichen Autorität doch jeder Theil in die ange- 
drohte Geldstrase, und der Kláger in die Kosten 
des Termins verurtheilt werden müssen. 
b)) Im 68 F. möchte statt der obrigkek#t= 
lichen Concesslon der obervormundschaft= 
lichen Einwilligung zu gedenken seyn, auch wird 
die weitere Bestimmung dieses §. davon abhän- 
gen, ob Überhaupt mit Einführung der Königl. 
Süchs. erlduterten Proceß= Ordnung die hier an- 
gezogene Constitution von 1775 als ferner fort- 
bestehend angeführt werden kann. 
7) Die wohlthätige Bestimmung des §. 107. 
glauben die getreuen Stände als eine allgemeine 
Bestimmung zur Erlduterung des bestehenden und 
in allen Theilen des Grosherzogtbums elnzufüh- 
renden Schreib -Edicts angelegentlichst empfelnen 
zu müssen; wenn aber endlich Z 
8) im 8. 109. dem Ermessen des Oberrichters 
überlassen ist, auch in minder wichtigen Sachen 
in der Maaße, wie in wichtigen liquidiren zu 
lissen, so möchte diese Bestimmung bei den übri- 
gen, ein feivoles Verfahren so zweckmäßig ab- 
schneidenden Vorschriften, als unnöthig erscheinen. 
Diese wenigen Bemerkungen werden die baldige 
Einführung dieses so wohlthätigen Gesetzes in dem 
  
gesammten Grosherzogkhume nicht verzögern kön- 
nen, und die gerreuen Stände dürsen von der wei- 
tern gnädigssen Anordnung Ihro Königl. Hoheit 
erwarten, daß solches recht bald zur Promulgation 
gelange. Indem sie hierauf ehrerbietiast antragen, 
schli zen sie die ihnen zugefertigten Acten wierer 
bei, und wiederhohlen die Versicherung ihrer tief- 
sien Verehrung und unwandelbaren Treue. 
Weimar, den 15. März 1817.
	        
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