Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1896. (30)

— 515 — 
§. 1869. 
Niemand ist verpflichtet, das Amt eines Mitglieds des Familienraths zu 
übernehmen. 
§. 1870. 
Die Mitglieder des Familienraths werden von dem Vorsitzenden durch Ver- 
pflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung des Amtes bestellt. Die Ver- 
pflichtung soll mittelst Handschlags an Eidesstatt erfolgen. 
§. 1871. 
Bei der Bestellung eines Mitglieds des Familienraths kann die Entlassung 
für den Fall vorbehalten werden, daß ein bestimmtes Ereigniß eintritt oder 
nicht eintritt. 
§. 1872. 
Der Familienrath hat die Rechte und Pflichten des Vormundschaftsgerichts. 
Die Leitung der Geschäfte liegt dem Vorsitzenden ob. 
Die Mitglieder des Familienraths können ihr Amt nur persönlich ausüben. 
Sie sind in gleicher Weise verantwortlich wie der Vormundschaftsrichter. 
§. 1873. 
Der Familienrath wird von dem Vorsitzenden einberufen. Die Einberufung 
hat zu erfolgen, wenn zwei Mitglieder, der Vormund oder der Gegenvormund sie 
beantragen oder wenn das Interesse des Mündels sie erfordert. Die Mitglieder 
können mündlich oder schriftlich eingeladen werden. 
§. 1874. 
Zur Beschlußfähigkeit des Familienraths ist die Anwesenheit des Vorsitzenden 
und mindestens zweier Mitglieder erforderlich. 
Der Familienrath faßt seine Beschlüsse nach der Mehrheit der Stimmen der 
Anwesenden. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. 
Steht in einer Angelegenheit das Interesse des Mündels zu dem Interesse 
eines Mitglieds in erheblichem Gegensatze, so ist das Mitglied von der Theilnahme 
an der Beschlußfassung ausgeschlossen. Ueber die Ausschließung entscheidet der 
Vorsitzende. 
§. 1875. 
Ein Mitglied des Familienraths, das ohne genügende Entschuldigung der Ein- 
berufung nicht Folge leistet oder die rechtzeitige Anzeige seiner Verhinderung unterläßt 
oder sich der Theilnahme an der Beschlußfassung enthält, ist von dem Vorsitzenden 
in die dadurch verursachten Kosten zu verurtheilen. 
Der Vorsitzende kann gegen das Mitglied eine Ordnungsstrafe bis zu ein- 
hundert Mark verhängen. 
Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so sind die getroffenen Ver- 
fügungen aufzuheben. 
Reichs- Gesetzbl. 1896. 77
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.