180 J. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
die gemeinsame Gefahr, die von der Weltmacht im Westen drohe, und
gelobten einander feste Treue. Auf den noch knabenhaft unreifen Czaren
machte die ritterliche ernsthafte Haltung des Königs und die bezaubernde
Anmuth der Königin lebhaften Eindruck, soweit sein aus Schwärmerei,
Selbstbetrug und Schlauheit seltsam gemischter Charakter tiefer Empfin—
dung fähig war; und immer wieder klagte sein polnischer Freund Czar—
toryski, der unversöhnliche Gegner Preußens: dieser Tag von Memel sei
der Anfang alles Unheils. Friedrich Wilhelm aber hing an dem neuen
Freunde mit der unwandelbaren Treue seines ehrlichen Herzens. Persön—
liche Neigung bestärkte ihn in dem Entschlusse, den sein gerader Verstand
gefunden hatte: nur im Bunde mit Rußland wollte er einen Krieg gegen
Frankreich wagen. Er drängte den russischen Hof, an den Verhandlungen
über die deutschen Entschädigungsfragen theilzunehmen, damit Frankreich
nicht der alleinige Schiedsrichter im Reiche sei.
Wie der König also sich insgeheim den Rücken zu decken suchte für
einen möglichen Krieg gegen Frankreich, so verfolgte auch seine deutsche
Politik Gedanken, welche den Plänen des ersten Consuls schnurstracks
zuwiderliefen; es war nur die Folge der verworrenen Parteiungen des
Augenblicks, daß der preußische Hof eine Zeit lang mit dem französischen
Cabinette Hand in Hand zu gehen schien. Die allgemeine Secularisation
konnte dem preußischen Staate nur willkommen sein sobald einmal die
Abtretung der Rheinlande entschieden war. Alle seine protestantischen
Ueberlieferungen wiesen ihn auf dies Ziel hin. Zudem herrschte damals
in der aufgeklärten Welt die Lehre von der Allmacht des Staates, die
alle Kirchengüter von Rechtswegen der Nation zuwies; Stephani's Buch
über „die absolute Einheit von Staat und Kirche“ machte die Runde im
deutschen Norden. Der König von Preußen war selber von diesen An—
schauungen durchdrungen, ließ eben jetzt in seinem Cabinet einen um—
fassenden Plan für die Einziehung des gesammten preußischen Kirchenguts
ausarbeiten. Desgleichen glaubte er ganz im Sinne seines Großoheims
zu handeln, wenn er sich auf die Seite Baierns und der neuen Mittel—
staaten stellte; auch Friedrich hatte ja bei seinen Reichsreformplänen die
Verstärkung der größeren weltlichen Reichsstände immer im Auge gehabt.
Bonaparte begünstigte die Mittelstaaten, weil er sich aus ihnen den Stamm
einer französischen Partei bilden wollte; der preußische Hof unterstützte
diese Politik, weil er umgekehrt hoffte durch die Vernichtung der aller—
unbrauchbarsten Kleinstaaten die Widerstandskraft des Reiches gegen Frank—
reich zu erhöhen. Unumwunden erklärte Haugwitz dem österreichischen
Gesandten Stadion, dies sei schon seit Jahren die feststehende Ansicht
seines Hofes. Im gleichen Sinne ließ Rußland dem Wiener Hofe aus-
sprechen, man habe aus den preußischen Staatsschriften die Ueberzeugung
gewonnen, daß die allgemeine Secularisation zur Kräftigung des deutschen
Westens nothwendig sei. Und wieder mit den nämlichen Gründen recht-