Alexander und Czartoryski. 221
mochte dann in Schlesien und Baiern die Entschädigung finden für seinen
galizianischen Besitz. Noch war der Czar nicht gänzlich für diese luftigen
Entwürfe gewonnen; aber so viel hatte der gewandte Pole doch erreicht,
daß sein kaiserlicher Freund völlig rücksichtslos gegen Preußen auftrat.
Die brünstigen Freundschaftsbetheuerungen von Memel schienen vergessen;
die Verhandlungen in Berlin wurden russischerseits mit einem beleidigen-
den Uebermuthe geführt als ob man beabsichtigte den preußischen Hof
von der Coalition hinweg zu scheuchen. Als König Friedrich Wilhelm
unbeirrt bei seiner Neutralität beharrte, war Alexander entschlossen, das
russische Heer selbst gegen den Willen des Königs durch preußisches Ge-
biet nach Oesterreich zu führen.
Währenddem wurde der Erfolg der napoleonischen Anschläge gegen
England immer fraglicher; den großartigen Plan, die Flotte Nelson's nach
Westindien zu locken und unterdessen den Canal zu säubern, vereitelte
die Wachsamkeit des britischen Seehelden. Napoleon erwog schon die
Frage, ob es nicht räthlich sei das gewagte Unternehmen zwar nicht gänz-
lich aufzugeben — denn noch fünf Jahre später hielt Arthur Wellesley
aus guten Gründen einen neuen Landungsversuch für wahrscheinlich —
doch auf eine günstigere Gelegenheit zu vertagen. Nichts konnte dem
Imperator in solcher Lage willkommener sein als die Nachricht von den
Rüstungen der Coalition. Begierig ergriff er den Vorwand, den ihm
seine Gegner boten, und frohlockte bei der Aussicht „dies Skelett Franz
den Zweiten, den das Verdienst seiner Vorfahren auf den Thron gebracht
hat“, gänzlich aus dem deutschen Reiche zu verdrängen; „Deutschland wird
mehr Soldaten sehen als je zuvor!“ Indeß die große Armee unbemerkt
in wunderbarer Ordnung von Boulogne zum Rheine eilte, wurde der
Kriegsschauplatz an der oberen Donau von französischen Spähern sorg-
fältig ausgekundschaftet und zugleich der glänzendste der napoleonischen.
Feldzüge durch eine kluge diplomatische Action umsichtig vorbereitet.
Vom heiligen Reiche stand kein Widerstand zu befürchten. Der Re-
gensburger Reichstag vertiefte sich soeben in die wichtigen Verhandlungen
über die Eutiner Gemeinweiden und füllte mit dieser Berathung die
Galgenfrist, die ihm noch vergönnt war, würdig aus. Zu seinen alten
Schützlingen, den Höfen der süddeutschen Mittelstaaten, sprach der Im-
perator jetzt offen als Schirmherr des dynastischen Particularismus: er
komme Deutschlands Freiheit zu retten, nimmermehr dürften deutsche
Fürsten als Unterthanen des deutschen Kaisers behandelt werden. Auf
Napoleon's Befehl hielt Kurfürst Max Joseph von Baiern die österreichi-
schen Unterhändler, die ihn herrisch und drohend zum Anschluß an die
Coalition drängten, durch erheuchelte friedliche Betheuerungen hin. Der
deutsche Fürst gab sein heiliges Ehrenwort, daß seine Truppen keinen
Schwertstreich führen sollten, bat in der fürchterlichen Verzweiflung seines.
geängsteten Vaterherzens nur um einige Geduld, da sein in Frankreich