282 I. 3 Preußens Erhebung.
rotteten sich sogar die Bauern zusammen, tobend gegen „die neue Frei-
heit“, und der König mußte seine gelben Reiter wider sie aussenden.
Auf der Junkergasse zu Königsberg tagte der Perponcher'sche Club, wür-
dige Herren vom Hofe, vom Landadel, von der Armee, allesammt tief entrüstet
über „das Nattergezücht“ der Reformer. Niemand dort schalt grimmiger
als General Nork: der sah die alte strenge Zucht aus der Welt ver-
schwinden, sah die Zeit gekommen, wo jeder Fähnrich an seinem Obersten
zum Marquis Posa werden wollte. Selbst Gneisenau konnte der Kühnheit
des Ministers nicht folgen, er meinte den Untergang des großen Grund-
besitzes vor Augen zu schauen bis ihn die Erfahrung eines Besseren be-
lehrte. Einige der wackersten Männer aus den alten ostpreußischen Ge-
schlechtern der Dohna, der Auerswald, der Finkenstein beschworen den König
in einer Eingabe, die Rechte des Adels zu schützen, ihm mindestens die
Befreiung vom Kriegsdienste und die Patrimonialgerichte zu erhalten. Auch
berechtigte Beschwerden blieben nicht aus; denn obwohl der Gesetzgeber
seine Hauptgedanken überall mit geschäftlicher Klarheit und Bestimmtheit
aussprach, so waren doch im Einzelnen, bei der Eile der Arbeit, manche
Unklarheiten und Widersprüche mit untergelaufen. Aber das Ansehen des.
Königlichen Befehls stand ebenso fest wie das Vertrauen zu der Recht-
schaffenheit Friedrich Wilhelm's. Daß dieser Fürst ein offenbares Unrecht
gebieten könne, wollten doch selbst die Unzufriedenen nicht glauben. Die
Reform ging ihren Gang. Wieder, wie so oft schon, wurde eine That der
Befreiung dem preußischen Volke durch den Willen seiner Krone auferlegt.
Die zweite große Aufgabe, welche Stein sich stellte, war die Voll-
endung der Staatseinheit. Er hatte aus den Verhandlungen der Pariser
Nationalversammlung die Nothwendigkeit eines centralisirten Kassenwesens,
aus der Verwaltungsorganisation des ersten Consuls die Vorzüge einer
übersichtlichen Eintheilung der Staatsgeschäfte kennen gelernt und schon
vor dem Kriege die Einsetzung von Fachministern für den gesammten Staat
empfohlen. Das wunderliche Nebeneinander von Provinzial= und Fach-
ministern, die Vermischung des Realsystems mit dem Provinzialsysteme
genügte nicht mehr für die Bedürfnisse der schlagfertigen modernen Ver-
waltung. War doch die ängstliche Schonung der landschaftlichen Eigen-
thümlichkeiten während der letzten Jahrzehnte so weit getrieben worden,
daß die Beamten der alten Schule die preußische Monarchie geradezu
einen Föderativstaat nennen konnten. Bei näherer Prüfung ergab sich
indeß, wie gesund und lebensfähig die Verwaltungsordnung Friedrich
Wilhelm's I. noch immer war. Nun man sich anschickte sein Werk weiter-
zuführen lernte man den sicheren Blick des alten gestrengen Organisators
erst völlig würdigen; Schön pries ihn gern als Preußens größten inneren
König. Nicht ein Umsturz, nur die Fortbildung und Vereinfachung der
alten Institutionen wurde beschlossen. Das Gesetz vom 16. December
1808 über die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden stellte