Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Stein's Fall. 331 
gefährlichen Jacobiner insgeheim überwachen. Nur dann und wann durfte 
Stein den kaiserlichen Staatsmännern einen Rath ertheilen. In Troppau 
verkehrte er viel mit Pozzo di Borgo: der persönliche Feind des Hauses 
Bonaparte, den die Rachgier corsischer Vendetta ruhelos von Land zu 
Lande peitschte, und der erste Mann der deutschen Nation fanden sich zu- 
sammen in gemeinsamem Hasse. Drei Jahre lang blieb der Geächtete ohne 
politischen Einfluß. Es war die Zeit, da Gneisenau die entsetzlichen Worte 
schrieb: „wir dürfen es uns nicht verhehlen, die Nation ist so schlecht wie 
ihr Regiment.“ Auch Stein unterlag während dieser Jahre des Harrens 
zuweilen der Verbitterung des Emigranten: er verlebte Augenblicke da er 
an dem unverbesserlichen Phlegma der nördlichen Deutschen verzweifelte 
und trostlos schrieb: möge denn Preußen untergehen! So fest wie sein 
König oder Hardenberg war dieser Reichsritter doch nicht mit dem Staate 
Friedrich's verwachsen, zur Noth konnte er sich sein verjüngtes Deutsch- 
land auch ohne Preußen denken. Jetzt sah er in Europa nur noch zwei 
große Heerlager: dort das Weltreich, hier die Freiheit der Völker; mochten 
alle Theilfürsten und selbst die Hohenzollern versinken, wer immer den Deut- 
schen die Befreiung brachte der sollte des Reiches Krone tragen. Erst das 
Frühjahr 1813 hat den heißblütigen Franken wieder ausgesöhnt mit dem 
norddeutschen Volke und ihn für immer der preußischen Sache gewonnen. — 
Alsbald nach Stein's Abgang gerieth sein Reformwerk in's Stocken. 
Alle die bedeutenden Talente, die unter ihm gearbeitet, vermochten nichts 
mehr seit sein belebender mächtiger Wille fehlte. Der Staat bedurfte, so 
lange die neue Organisation nicht vollendet war, eines leitenden Staats- 
mannes, dem die Minister sich unterordneten. Da indeß Hardenberg 
durch Napoleon's Mißgunst den Geschäften noch immer fern gehalten 
wurde und Niemand sonst den Ausscheidenden ersetzen konnte, so behalf 
man sich mit einer collegialischen Ministerregierung. Der neue Minister 
des Innern, Graf Alexander Dohna war ein feingebildeter ehrenhafter 
Patriot — wie alle Söhne jenes alten protestantischen Heldengeschlechts, 
von dem das ostpreußische Sprichwort sagte: gut wie ein Dohna — doch 
weder ein ideenreicher Kopf noch ein Mann des durchgreifenden Entschlusses. 
Der König verhehlte sich nicht, daß die neue Organisation nicht mehr auf 
halbem Wege stehen bleiben durfte; er überwand jetzt sogar seine Abnei- 
gung gegen das Repräsentatiosystem, befahl dem Minister des Innern, 
die Neugestaltung der ständischen Verfassung sowie der ländlichen Polizei- 
verwaltung schleunig in Angriff zu nehmen.) Sein gesunder Verstand 
erkannte, daß die Polizeigewalt der Gutsherrschaften das feste Bollwerk 
der alten ständischen Vorrechte bildete. 
Kaum wurden diese Absichten des Monarchen ruchbar, so erhob sich 
wieder die Opposition der Landtage, und sie trat jetzt dreister auf als 
unter Stein's kraftvollem Regimente. Die Stände der Kurmark verlang- 
*) Cabinets-Ordres v. 10. Jan. und 4. März 1809. 
 
	        
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