Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Wiener Friede. 347 
fast unthätig auf dem Marchfelde stehen, während Napoleon rastlos aus 
allen Ecken seines weiten Reiches Verstärkungen heranzog und selbst die 
Matrosen aus den Häfen des Canals herbeikommen ließ. Im Juli fühlte 
sich der Imperator stark genug zum zweiten male den Uebergang über 
die Donau zu wagen; am 5. und 6. Juli wurde der Erzherzog bei 
Wagram geschlagen, wesentlich durch die Schuld seines Bruders Johann, 
der mit den Truppen aus Ungarn nicht rechtzeitig zur Stelle kam. Und 
wieder wie nach der Austerlitzer Schlacht überwältigte der Kleinmuth den 
kaiserlichen Hof. Sechs Tage später ward der Waffenstillstand von Znaim 
abgeschlossen, der Erzherzog legte mißmuthig das Commando nieder. 
Die Welt wußte längst, daß Napoleon einen Waffenstillstand nur 
dann bewilligte, wenn er des Friedens sicher war. Gleichwohl hielt König 
Friedrich Wilhelm noch immer seine kriegerischen Entwürfe fest und ver- 
sammelte seine Armee in festen Lagern; das Corps Blücher's stand in 
Pommern bereit auf den ersten Wink gegen die Oderlinie vorzubrechen. 
Noch einmal (24. Juli) schrieb der wackere Fürst seinem russischen Freunde: 
der Tag von Wagram habe keine endgiltige Entscheidung gebracht; er- 
klärten jetzt Rußland und Preußen gleichzeitig den Krieg, so sei die Be- 
freiung Deutschlands noch immer möglich. Sein Gesandter Schladen 
bewies dem Czaren in einer eindringlichen Denkschrift: wenn Oesterreich 
falle, so komme an Rußland die Reihe. Doch Alexander schwieg; erst 
als der Friede geschlossen war kam eine Antwort aus Petersburg. Wäh- 
renddem ging Gneisenau in geheimer Sendung nach London und beschwor 
das britische Cabinet, die bereits ausgerüstete Landungsarmee an die deutsche 
Küste zu werfen, dann werde sie dem preußischen Heere zur Stütze dienen. 
George Canning stimmte dem feurigen Deutschen zu: der geniale junge 
Staatsmann fand damals schon die insularische Politik Alt-Englands 
engherzig und kleinlich. Doch die Mittelmäßigkeit der anderen Minister 
hatte nur Augen für das kaufmännische Interesse. Die Expedition ging 
nach den Niederlanden, um für die britische Flotte einen Brückenkopf auf 
dem Festlande zu gewinnen, und fand vor den Wällen von Antwerpen 
und in den Sümpfen von Walcheren ein schmähliches Ende. Auch auf 
Oesterreichs Ausdauer war nicht mehr zu rechnen; man hatte im Haupt- 
quartier die stolzen Pläne vom Frühjahr längst aufgegeben und fühlte 
sich dem Gegner, der inzwischen abermals an 80,000 Mann Verstär- 
kungen heranzog, nicht mehr gewachsen. 
Napoleon aber vollzog jetzt eine meisterhafte diplomatische Schwenkung. 
Das alte Kaiserhaus war vorderhand genugsam geschwächt; wenn er mit 
den Besiegten sich versöhnte, so konnte er den großen Anschlag gegen 
Rußland, der dem Unermüdlichen jetzt vor allem Anderen am Herzen 
lag, ungestört reifen lassen. Seine Haltung ward freundlicher; im Wiener 
Frieden (14. October) gewährte er dem Hause Habsburg etwas mildere 
Bedingungen als kurz zuvor noch erwartet wurde. Oesterreich mußte
	        
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