Stimmungen im Rheinbunde. 355
klärung herunter hochmüthig absprachen über die finstere Nacht des slawi—
schen Junkerthums in Preußen und den Imperator ermahnten, das zurück—
gebliebene Oesterreich und Preußen mit einer Verfassung nach gallischem
Muster zu segnen. Die giftigen Libelle des Baiern Aretin waren die
Erstlinge jener neuen napoleonisch-particularistischen Literatur, die seitdem
durch viele Jahre eine Macht des Unheils im deutschen Süden geblieben
ist. Der Vielgewandte verstand sehr geschickt, zugleich den altbairischen
Ketzerhaß und den Aufklärungsdünkel der neuen Bureaukratie gegen
Preußen aufzuregen: der Staat Friedrich's war das Land der Ketzerei
und der adlichen Privilegien, Napoleon der Held der Freiheit und der
römischen Kirche. Solche Märchen fanden Glauben, da die armseligen
Zeitungen des Rheinbundes von den preußischen Reformen nichts erzählten
und die hirnverbrannten teutonomanischen Tugendbündler Stein und
Scharnhorst nur mit geringschätzigem Spotte behandelten. Dann er-
schienen plötzlich zu gleicher Zeit deutsch und französisch in zwei Buch-
handlungen des Rheinbundes die Memoiren der Markgräfin von Bayreuth,
gewiß nicht ohne das Zuthun eines der kleinköniglichen Höfe. Welcher
Sturm der Schadenfreude im Lager des Particularismus! Der unver-
dächtigste Zeuge, die Lieblingsschwester des großen Friedrich bestätigte
Alles was man sich im süddeutschen Volke von der unerträglichen Härte
des preußischen Staates, von der soldatischen Steifheit seiner Regierung und
der herzlosen Grausamkeit seines Königshauses längst erzählte! Wilhel-
minens gallige Herzensergießungen wurden dem guten Rufe Preußens
gefährlicher als irgend eine Schmähschrift seiner Feinde, und es währte
lange bis die historische Kritik die Unwahrhaftigkeit der verbitterten geist-
reichen Fürstin nachwies. Napoleon bemerkte zufrieden: „alle deutschen
Höfe, namentlich der sächsische, wünschen die Theilung Preußens.“
Die Wittelsbacher hatten längst vergessen, daß sie den Hohenzollern den
Besitz ihrer Erblande verdankten; Friedrich von Württemberg und mehrere
andere Fürsten des Rheinbundes wurden nicht müde, den Imperator vor
Preußens gefährlichen Absichten zu warnen; der sächsische Minister Graf
Senfft entwarf mit der oberflächlichen Hastigkeit kleinstaatlicher Ehrbegier
Plan auf Plan, wie Preußen vernichtet und auf seinen Trümmern ein
großes sächsisch-polnisches Centralreich aufgebaut werden solle. Die alte
irrige Ueberlieferung, welche die Baiern für Abkommen der keltischen Bojer
erklärte, wurde jetzt von Pallhausen und Anderen wieder ausgenommen:
mancher eifrige Bajuvare versicherte stolz, sein Stamm sei den Franzosen
blutsverwandt, wie man schon an dem nationalen Schnauzbarte erkenne.
Nicolaus Vogt aber bewies in seinem Buche, „die deutsche Nation und ihre
Schicksale", wie die Deutschen zweitausend Jahre lang das Drama „die
feindlichen Brüder“ aufgeführt, bis endlich Napoleon die alte deutsche
Verfassung in neuen Formen wieder aufgerichtet habe; seit der Vermäh-
lung des Imperators mit Marie Luise hat „Schönheit gepaart mit Hel-
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