Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Stimmungen im Rheinbunde. 355 
klärung herunter hochmüthig absprachen über die finstere Nacht des slawi— 
schen Junkerthums in Preußen und den Imperator ermahnten, das zurück— 
gebliebene Oesterreich und Preußen mit einer Verfassung nach gallischem 
Muster zu segnen. Die giftigen Libelle des Baiern Aretin waren die 
Erstlinge jener neuen napoleonisch-particularistischen Literatur, die seitdem 
durch viele Jahre eine Macht des Unheils im deutschen Süden geblieben 
ist. Der Vielgewandte verstand sehr geschickt, zugleich den altbairischen 
Ketzerhaß und den Aufklärungsdünkel der neuen Bureaukratie gegen 
Preußen aufzuregen: der Staat Friedrich's war das Land der Ketzerei 
und der adlichen Privilegien, Napoleon der Held der Freiheit und der 
römischen Kirche. Solche Märchen fanden Glauben, da die armseligen 
Zeitungen des Rheinbundes von den preußischen Reformen nichts erzählten 
und die hirnverbrannten teutonomanischen Tugendbündler Stein und 
Scharnhorst nur mit geringschätzigem Spotte behandelten. Dann er- 
schienen plötzlich zu gleicher Zeit deutsch und französisch in zwei Buch- 
handlungen des Rheinbundes die Memoiren der Markgräfin von Bayreuth, 
gewiß nicht ohne das Zuthun eines der kleinköniglichen Höfe. Welcher 
Sturm der Schadenfreude im Lager des Particularismus! Der unver- 
dächtigste Zeuge, die Lieblingsschwester des großen Friedrich bestätigte 
Alles was man sich im süddeutschen Volke von der unerträglichen Härte 
des preußischen Staates, von der soldatischen Steifheit seiner Regierung und 
der herzlosen Grausamkeit seines Königshauses längst erzählte! Wilhel- 
minens gallige Herzensergießungen wurden dem guten Rufe Preußens 
gefährlicher als irgend eine Schmähschrift seiner Feinde, und es währte 
lange bis die historische Kritik die Unwahrhaftigkeit der verbitterten geist- 
reichen Fürstin nachwies. Napoleon bemerkte zufrieden: „alle deutschen 
Höfe, namentlich der sächsische, wünschen die Theilung Preußens.“ 
Die Wittelsbacher hatten längst vergessen, daß sie den Hohenzollern den 
Besitz ihrer Erblande verdankten; Friedrich von Württemberg und mehrere 
andere Fürsten des Rheinbundes wurden nicht müde, den Imperator vor 
Preußens gefährlichen Absichten zu warnen; der sächsische Minister Graf 
Senfft entwarf mit der oberflächlichen Hastigkeit kleinstaatlicher Ehrbegier 
Plan auf Plan, wie Preußen vernichtet und auf seinen Trümmern ein 
großes sächsisch-polnisches Centralreich aufgebaut werden solle. Die alte 
irrige Ueberlieferung, welche die Baiern für Abkommen der keltischen Bojer 
erklärte, wurde jetzt von Pallhausen und Anderen wieder ausgenommen: 
mancher eifrige Bajuvare versicherte stolz, sein Stamm sei den Franzosen 
blutsverwandt, wie man schon an dem nationalen Schnauzbarte erkenne. 
Nicolaus Vogt aber bewies in seinem Buche, „die deutsche Nation und ihre 
Schicksale", wie die Deutschen zweitausend Jahre lang das Drama „die 
feindlichen Brüder“ aufgeführt, bis endlich Napoleon die alte deutsche 
Verfassung in neuen Formen wieder aufgerichtet habe; seit der Vermäh- 
lung des Imperators mit Marie Luise hat „Schönheit gepaart mit Hel- 
23
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.