Württemberg. 361
lich so eng, daß selbst der geistvollste und leidenschaftlichste Stamm des
Südens von dem wilden Nationalhasse, der die preußischen Herzen be-
wegte, kaum berührt wurde. Die Schwaben verwünschten ihren heimischen
Tyrannen; an den letzten Grund ihrer Leiden, an die Schmach der Fremd-
herrschaft dachten sie wenig. Nur einzelne hochsinnige Naturen, wie der
junge Ludwig Uhland, empfanden den ganzen Ernst der Zeit.
So lange der milde und gerechte Karl Friedrich lebte, wurde die
Härte des rheinbündischen Regiments in Baden nicht allzu schwer em-
pfunden. Erst unter seinem Nachfolger Großherzog Karl brach auch über
dies Land die wüste Willkür des Bonapartismus herein. Die Ulsasser
und Lothringer freuten sich der Glorie des Kaiserreichs, zählten mit Stolz
die lange Reihe der Helden auf, welche ihr Land unter die Fahnen des
Unbesieglichen gesendet hatte: Kleber, Kellermann, Lefevre, Rapp und den
Tapfersten der Tapfern, Ney. Die übrigen Lande des linken Ufers ver-
harrten in tiefem Schlummer. Den Alten lag die gedankenlose Genieß-
lichkeit der bischöflichen Zeiten noch in den Gliedern, die Jungen wanderten
mit dem breiten Bonaparthut geschmückt in die französischen Lyceen.
Wagte sich hier ja einmal ein deutsches Buch heraus, so begegnete ihm
das Mißtrauen der kaiserlichen Censoren, die kein Deutsch verstanden;
die Schrift des Naturforschers Treviranus über die Organisation der
Blattlaus ward beanstandet, weil die Organisation den Censor an den
Tugendbund erinnerte. Die letzten Spuren deutscher Bildung schienen im
Verschwinden. Namentlich die leichtlebigen Pfälzer fügten sich schnell dem
wälschen Wesen; von den Beamten verlangte der gute Ton, daß sie auch
im Hause französisch radebrechten. Selbst unter den preußischen Patrioten
wurde vielfach bezweifelt, ob es noch möglich sei, dies Bastardsvolk dem
deutschen Geiste wiederzugewinnen. In Darmstadt, in Nassau, überall
das gleiche Wesen: Kriecherei gegen den Protector, durchfahrende Strenge
gegen das eigene Volk. Selbst der feurige Verehrer der Kleinstaaterei,
Hans Gagern vermochte die tiefe Unsittlichkeit dieses Treibens nicht mehr
zu ertragen; die patriotische Strömung der neuen Literatur ergriff auch
ihn, er verließ den nassauischen Dienst und schrieb in seiner verworrenen
Weise eine Nationalgeschichte der Deutschen.
Den schärfsten Gegensatz zu der revolutionären Politik der Staaten
des Südens und Westens bildete das Stillleben der kleinen Territorien
des Nordens. Hier blieben die alten Institutionen auch unter dem Rhein-
bunde ebenso unverändert wie die Fürstenhäuser und die Landesgrenzen;
nur die Conscription mußte überall eingeführt werden. Im Königreich
Sachsen war sogar diese einzige Neuerung nicht durchzusetzen; man be-
gnügte sich, den nach alter Weise angeworbenen Truppen durch die Ein-
führung neufranzösischer Reglements eine bessere militärische Haltung zu
geben. Die alte Gesellschaftsordnung bewahrte hier noch immer eine
überraschend starke Kraft des Widerstandes. Napoleon verschmähte die