30 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
Hohenzollern schützend und versöhnend ein. Sie rufen die Wiener Juden-
schaft an die Spree, sie sichern „Via facti“, des Reiches ungefragt, den
Protestanten Heidelbergs den Besitz ihrer Kirchen, sie bereiten den evan-
gelischen Salzburgern in Ostpreußen eine neue Heimath. So strömte Jahr
für Jahr eine Fülle jungen Lebens in die entvölkerten Ostmarken hinüber;
das deutsche Blut, das die Habsburger von sich stießen, befruchtete die
Lande ihres Nebenbuhlers. Beim Tode Friedrich's II. bestand etwa ein
Drittel der Bevölkerung des Staates aus den Nachkommen der Ein-
wanderer, die seit den Tagen des großen Kurfürsten zugezogen.
Erst diese Kirchenpolitik der Hohenzollern hat das Zeitalter der
Religionskriege abgeschlossen; sie zwang schließlich die besseren weltlichen
Fürsten zur Nachahmung und entzog zugleich den geistlichen Staaten
das letzte Recht des Daseins; denn wozu noch geistliche Reichsfürsten,
seit die katholische Kirche unter den Flügeln des preußischen Adlers ge-
sicherte Freiheit fandd Friedrich Wilhelm erwarb im Westphälischen
Frieden die großen Stifter Magdeburg, Halberstadt, Minden, Cammin.
Sein Staat ward wie kein anderer in Deutschland durch die Güter der
römischen Kirche bereichert, doch er rechtfertigte den Raub, denn er über-
nahm mit dem Kirchengute zugleich die großen Culturaufgaben, welche die
Kirche des Mittelalters einst für den unreifen Staat erfüllt hatte, Armen-
pflege und Volkserziehung, und er verstand den neuen Pflichten zu ge-
nügen. Dasselbe Gebot der Selbsterhaltung, das die Hohenzollern nöthigte
Frieden zu halten zwischen Katholiken und Protestanten, drängte sie auch
innerhalb der evangelischen Kirche zwischen den Gegensätzen zu vermitteln.
Der Gedanke der evangelischen Union blieb dem preußischen Staate eigen-
thümlich seit Johann Sigismund zuerst den lutherischen Eiferern das
Zetern wider die Calvinisten untersagte, und was anfänglich die Noth
erzwang, ward endlich zur politischen Ueberlieferung, zur Herzenssache
des Fürstenhauses.
Wie der preußische Staat also der deutschen Nation den kirchlichen
Frieden sicherte, der ihr erlaubte wieder theilzunehmen an dem Schaffen
der Culturvölker, so gab er ihr auch zurück was ihr seit den Tagen der
Glaubensspaltung fehlte: einen Willen gegen das Ausland. Ueberall im
Reiche verkamen reiche Kräfte in engen Verhältnissen, und wer hoch
Hinausstrebte eilte in die Fremde; da faßte Friedrich Wilhelm's gewaltige
Hand die dürftigen Mittel der ärmsten deutschen Gebiete entschlossen zu-
sammen und zwang sein Volk der Heimath zu dienen und zeigte dem Welt-
theil wieder was das deutsche Schwert vermöge. Das Reich zehrte von
alten Erinnerungen, bewahrte die Staatsformen des Mittelalters mitten
im neuen Europa; diese norddeutsche Macht aber wurzelte fest in der
modernen Welt, über den Trümmern der alten Kirchenherrschaft und der
altständischen Rechte stieg ihre starke Staatsgewalt empor, sie lebte den
Sorgen der Gegenwart und den Plänen einer großen Zukunft. Mit