Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Vork. 403 
König erharrten, blieb dieser Umschwung der preußischen Politik natür- 
lich verborgen. Ein Glück daher, daß von anderer Seite her eine That 
gewagt wurde, die dem Volke wie ein weithin leuchtendes Signal verkün- 
dete, die Zeit des Harrens sei zu Ende. Die Nothwendigkeit der großen 
Wandlungen des historischen Lebens erscheint dann am anschaulichsten, 
wenn sie durch widerwillige Werkzeuge vollstreckt werden. Wer hätte auch 
nur für denkbar gehalten, daß General VYork, der Befehlshaber des preu- 
hischen Hilfscorps jemals an seinem Fahneneide deuteln könnte? Vor 
langen Jahren war der Jüngling einst wegen Ungehorsams aus der fride- 
ricianischen Armee entlassen worden; als er dann nach langen abenteuer- 
lichen Fahrten gereift und gesetzt wieder eintrat, erschien er den Soldaten 
wie der gestrenge Geist der altpreußischen Mannszucht. Der Mannschaft 
klopfte das Herz, wenn die hagere straffe Gestalt des alten Isegrimm mit 
der drohenden Falte über der Adlernase auf dem Braunen daherritt. 
Kein Fehler entging den harten stechenden grauen Augen; jedes Schimpf- 
wort ließ sich leichter ertragen als der gemessene und doch so furchtbare, 
so tief demüthigende Tadel von diesen stolzen herrischen Lippen. Die 
Offiziere sagten wohl, er sei scharf wie gehacktes Eisen; sie erriethen aus 
dem rastlos wechselnden Mienenspiele der finsteren Züge, wie viel Ehr- 
geiz, wie viel heiße Leidenschaft, durch eiserne Willenskraft mühsam ge- 
bändigt, in dem wortkargen, unliebenswürdigen Manne arbeitete. Die 
Truppen vertrauten ihm unbedingt, denn sie kannten seine Tapferkeit und 
Umsicht aus den Kämpfen von Altenzaun und Lübeck und sie wußten, wie 
eifrig der durch und durch praktische Offizier für Kleidung, Proviant und 
Quartiere seiner Leute sorgte. Wie in Marwitz die Standesge- 
sinnungen des Landadels, so verkörperte sich in York der schroffe Stolz 
des alten Offizierscorps; gegen die neumodischen Narrheiten der Reformer 
war ihm kein Hohn zu giftig. Er haßte die Franzosen, die ihm seine Fahnen 
entehrt und den stolzen Bau der altpreußischen Ordnung über 
den Haufen geworfen hatten, mit dem ganzen Ingrimm seiner vulkani- 
schen Natur; doch für die Kameraden, die den Dienst des Königs verließen 
um nach Rußland zu gehen, hatte er nur Worte herber Verachtung, sie 
waren ihm Verräther und Deserteure. 
Die preußische Division gehörte während des Kriegs zu dem Corps 
Macdonald's und rückte auf dem äußersten linken Flügel der großen Armee 
in die Ostseeprovinzen ein. So widerwillig die Truppen dem französischen 
Oberbefehle folgten, sie brannten vor Begier, jetzt unter den Augen der 
Sieger von Jena zu zeigen, was preußische Tapferkeit vermöge. York 
durfte sich rühmen, daß seine Schaar an kriegerischer Tüchtigkeit keinem 
anderen Corps der großen Armee nachstand, in fester Mannszucht alle 
übertraf; er hielt sie geschlossen zusammen, bewahrte sie vor jener Ver- 
mischung mit fremdem Kriegsvolk, die in den Heeren des Weltreichs grund- 
sätzlich begünstigt wurde, und zeigte den Franzosen durch schroff abweisenden 
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