Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Die Lage in Ostpreußen. 417 
mit sammt den Festungen allein von preußischen Truppen besetzt werden 
sollte. Friedrich Wilhelm sagte voraus, daß der Imperator auf solche 
Zumuthungen nicht eingehen würde.“) Lehnte Napoleon ab, so war der 
Krieg entschieden. Zugleich unterzeichnete der König eine Cabinetsordre, 
welche das Betragen York's für gerechtfertigt erklärte.“) 
So bereitete die Krone ruhig und umsichtig den Kampf vor. Doch 
über ihren letzten Absichten lag ein unverbrüchliches Geheimniß. Selbst 
die Oberregierungscommission, welche der König unter dem Vorsitze des 
Grafen Goltz in Berlin zurückgelassen, erfuhr kein Wort von den diplo- 
matischen Verhandlungen, sie war angewiesen, mit Marschall Augereau 
und den französischen Militärbehörden auf freundlichem Fuße zu bleiben. 
Der ohnehin langsame Verkehr wurde durch die Truppenzüge der Fran- 
zosen fast ganz unterbrochen. In den Provinzen wußte man lange nur 
das Eine, daß der König unfrei sei, von französischen Bajonetten um- 
geben. Wo sollte das hinaus? Ward es nicht hohe Zeit, daß die Nation 
ohne die Krone und doch für sie handelte, durch einen heroischen Entschluß 
den König befreite und sich selber zurückgab? Die verzweifelte Frage lag 
auf Aller Lippen, nirgends aber ward die quälende Ungewißheit bitterer 
empfunden, als in dem treuen Altpreußen. Hier diese alten tapferen 
Grenzenhüter der Germanen, denen die rothen Mauern ihrer Ordens- 
burgen von den Wundern einer großen Geschichte erzählten — sollten sie 
thatlos zuschauen, wie der Moskowiter den Franzmann verjagte um dann 
vielleicht die schöne Provinz, die schon während des siebenjährigen Krieges 
fünf Jahre lang unter russischer Herrschaft gestanden hatte, für immer 
mit dem Czarenreiche zu vereinigen? Jedermann fühlte, daß irgend etwas 
geschehen, daß die Provinz sich durch eigene Kraft die Freiheit verdienen 
müsse. Schon zu Anfang Januars erschienen einige Mitglieder der 
preußischen Stände bei dem General Wittgenstein und erboten sich, Truppen 
auszuheben, die unter York's Führung an der Seite der Russen kämpfen 
sollten. 
York selbst war in der peinlichsten Lage. Er hatte gehofft, sein 
Abfall würde die Russen zu rastloser Verfolgung des Feindes ermuthigen, 
den König zu einem raschen Entschlusse hinreißen, überall im deutschen 
Norden den Volkskrieg entzünden. Einige Tage lang gaben sich seine 
Truppen den frohesten Hoffnungen hin; in Tilsit, an der äußersten Ost- 
mark deutscher Erde, versprach Oberst Below seinen litthauischen Dra- 
gonern, er werde seinen Säbel nicht niederlegen, bis sie die Thürme von 
Paris gesehen hätten. Aber Wittgenstein betrieb die Verfolgung so saum- 
selig, daß Macdonald sich in Königsberg mit den übrigen Resten der 
großen Armee vereinigen und dann, wenig belästigt, über die Weichsel 
*) Denkschrift des Königs, 26. Jan. 1813. 
**) Königliche Weisung an Krusemark, 13. Febr. Hardenberg an St. Marsan, 
15. Febr. Cabinetsordre an York, 12. Febr. 1813. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte I. 27 
 
	        
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