Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

480 I. 4. Der Befreiungzkrieg. 
ihn mied; finster brütend saß er am Wachefeuer, um ihn in weitem Kreise 
scheu flüsternd das Gefolge, bis er dann plötzlich mit barschem Ruf den 
Befehl zum Aufbruch gab und unter einer Fluth grober Schimpfwörter, 
die vom Marschall bis zum Stallknechte herniederregnete, der Zug sich 
wieder in Bewegung setzte. Den Diplomaten und gelehrten Strategen 
im Hauptquartiere der drei Monarchen erschien die schlesische Armee wie 
eine geschlossene politische Partei. Mit Entsetzen hörten Metternich und 
Langenau von der freudigen Kampflust und dem lauten Freimuth, von 
dem preußischen Stolze und der nationalen Leidenschaft des Blücher'schen 
Lagers. Auch in der Umgebung König Friedrich Wilhelm's wurden schon 
ängstliche Stimmen laut, die vor den gefährlichen Plänen der schlesischen 
Heißsporne warnten; in Flüsterworten und Zwischenträgereien kündigte 
sich bereits ein Parteikampf an, der auf Jahre hinaus für Preußen ver- 
hängnißvoll werden sollte. Nur Stein stand unentwegt auf Blücher's 
Seite und legte bei dem Czaren sein Fürwort ein für jeden Vorschlag 
des alten Helden. Von dem schlesischen Heere gingen alle großen Ent- 
schließungen der Allianz aus, und mit vollem Rechte sagte Gneisenau, die 
Nachwelt werde staunen, wenn sie dereinst die geheime Geschichte dieses 
Krieges erfahre. 
Inzwischen war auch Napoleon's dritte Unternehmung gegen Berlin 
gescheitert. Die natürliche Schwerfälligkeit und Zwietracht aller Coali- 
tionsheere zeigte sich nirgends so grell wie in der Nordarmee. Was hatte 
auch dieser napoleonische Marschall Bernadotte gemein mit dem heiligen 
Zorne des deutschen Volkes? Sein Vaterland hatte er aufgegeben, doch 
nicht das französische Selbstgefühl. Vor sieben Jahren war er denselben 
preußischen Generalen, die sich nun seinen Befehlen fügen sollten, als 
Sieger gegenübergetreten; er dachte klein von ihrer Begabung und fragte 
verächtlich, ob das die Männer seien, die den großen Napoleon schlagen 
sollten. Von den abgerissenen, elend verpflegten preußischen Truppen, 
die sich mit fünferlei verschiedenen Gewehren und schlechten eisernen Ka- 
nonen behelfen mußten, erwartete er nichts; von ihren Gesinnungen wußte 
er so wenig, daß er ihnen die Großthaten der Franzosen von 1792 als 
leuchtendes Beispiel vorhielt. Ein vorsichtiger Feldherr war er immer 
gewesen und jetzt am wenigsten wollte er Großes wagen, da eine Nieder- 
lage seinem Hause leicht den noch ungesicherten schwedischen Thron rauben 
konnte. Gewichtige politische Gründe geboten ihm seine Schweden ängst- 
lich zu schonen; der Krieg war in Schweden nicht beliebt, der feine Plan 
Norwegen in Deutschland zu erobern blieb dem Volke unverständlich, und 
woher sollte das menschenarme Land Ersatz schaffen für ein verlorenes 
Heer? An den Preußen war es — so sagte er unverhohlen — ihre Haupt- 
stadt mit ihrem Blute zu vertheidigen. Da er in seiner Eitelkeit sich 
selber für den gefährlichsten Gegner Napoleon's hielt, so erwartete er sicher, 
der Imperator werde seine beste Kraft gegen ihn wenden, und erklärte
	        
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