480 I. 4. Der Befreiungzkrieg.
ihn mied; finster brütend saß er am Wachefeuer, um ihn in weitem Kreise
scheu flüsternd das Gefolge, bis er dann plötzlich mit barschem Ruf den
Befehl zum Aufbruch gab und unter einer Fluth grober Schimpfwörter,
die vom Marschall bis zum Stallknechte herniederregnete, der Zug sich
wieder in Bewegung setzte. Den Diplomaten und gelehrten Strategen
im Hauptquartiere der drei Monarchen erschien die schlesische Armee wie
eine geschlossene politische Partei. Mit Entsetzen hörten Metternich und
Langenau von der freudigen Kampflust und dem lauten Freimuth, von
dem preußischen Stolze und der nationalen Leidenschaft des Blücher'schen
Lagers. Auch in der Umgebung König Friedrich Wilhelm's wurden schon
ängstliche Stimmen laut, die vor den gefährlichen Plänen der schlesischen
Heißsporne warnten; in Flüsterworten und Zwischenträgereien kündigte
sich bereits ein Parteikampf an, der auf Jahre hinaus für Preußen ver-
hängnißvoll werden sollte. Nur Stein stand unentwegt auf Blücher's
Seite und legte bei dem Czaren sein Fürwort ein für jeden Vorschlag
des alten Helden. Von dem schlesischen Heere gingen alle großen Ent-
schließungen der Allianz aus, und mit vollem Rechte sagte Gneisenau, die
Nachwelt werde staunen, wenn sie dereinst die geheime Geschichte dieses
Krieges erfahre.
Inzwischen war auch Napoleon's dritte Unternehmung gegen Berlin
gescheitert. Die natürliche Schwerfälligkeit und Zwietracht aller Coali-
tionsheere zeigte sich nirgends so grell wie in der Nordarmee. Was hatte
auch dieser napoleonische Marschall Bernadotte gemein mit dem heiligen
Zorne des deutschen Volkes? Sein Vaterland hatte er aufgegeben, doch
nicht das französische Selbstgefühl. Vor sieben Jahren war er denselben
preußischen Generalen, die sich nun seinen Befehlen fügen sollten, als
Sieger gegenübergetreten; er dachte klein von ihrer Begabung und fragte
verächtlich, ob das die Männer seien, die den großen Napoleon schlagen
sollten. Von den abgerissenen, elend verpflegten preußischen Truppen,
die sich mit fünferlei verschiedenen Gewehren und schlechten eisernen Ka-
nonen behelfen mußten, erwartete er nichts; von ihren Gesinnungen wußte
er so wenig, daß er ihnen die Großthaten der Franzosen von 1792 als
leuchtendes Beispiel vorhielt. Ein vorsichtiger Feldherr war er immer
gewesen und jetzt am wenigsten wollte er Großes wagen, da eine Nieder-
lage seinem Hause leicht den noch ungesicherten schwedischen Thron rauben
konnte. Gewichtige politische Gründe geboten ihm seine Schweden ängst-
lich zu schonen; der Krieg war in Schweden nicht beliebt, der feine Plan
Norwegen in Deutschland zu erobern blieb dem Volke unverständlich, und
woher sollte das menschenarme Land Ersatz schaffen für ein verlorenes
Heer? An den Preußen war es — so sagte er unverhohlen — ihre Haupt-
stadt mit ihrem Blute zu vertheidigen. Da er in seiner Eitelkeit sich
selber für den gefährlichsten Gegner Napoleon's hielt, so erwartete er sicher,
der Imperator werde seine beste Kraft gegen ihn wenden, und erklärte