500 I. 4. Der Befreiungskrieg.
Strome vereinigt. Drüben auf dem linken Ufer stand das Corps Bertrand's,
Franzosen, Italiener, Rheinbündner, zwischen Wartenburg und Bleddin,
den Augen der Preußen völlig entzogen, geschützt durch hohe Dämme und
durch die sumpfigen Altwasser der Elbe. Gegen diese fast unangreifbare
Stellung ließ Blücher das York'sche Corps vorgehen. York fluchte wieder
über die Tollheit der Pläne Gneisenau's, doch er übernahm das Wag-
niß, und nach wiederholtem vergeblichem Sturme gelang es wirklich dem
unvergleichlichen Muthe seiner Truppen die Dämme zu ersteigen, den
Feind zum Abzuge zu nöthigen. Abermals war ein glänzender Sieg
allein durch die Preußen erfochten, und abermals bekamen die unglücklichen
Württemberger die Schärfe des preußischen Schwertes zu kosten. Der
Kampf ward mit solcher Wuth geführt, daß die schwarzen Husaren einmal
gefangene italienische Kanoniere zwangen das Geschütz auf ihre eigenen
Kameraden zu richten. Glückselig focht General Oppen mitten im Ge-
tümmel; der war von der nahen Nordarmee herübergeritten und ließ sich'’s
nicht nehmen als gemeiner Reiter mit in's Feuer zu gehen. Ein grausiger
Anblick, wie die armen Leineweber von der schlesischen Landwehr schaaren-
weise mit durchschossener Brust auf dem nassen Boden lagen unter den
Obstbäumen an den Elbdeichen; vor der Schlacht hatten sie sich noch ge-
mächlich Pflaumen geschüttelt. Als Eichhorn diese kümmerlichen Leiber
betrachtete, in denen so viel Liebe und so viel Heldenmuth gewohnt, da
durchschauerte ihn heilige Andacht und er erkannte was es heiße, daß der
Herr auch in den Schwachen mächtig ist. Der höchste Preis gebührte
doch dem Kolbergischen Leibregimente, jener tapferen Schaar, die schon an
Gneisenau's Seite gestanden als das Gestirn des Helden zuerst aufging;
vor dieser Truppe entblößte der gestrenge York sein Haupt, wie einst
König Friedrich vor den Ansbach-Bayreuth-Dragonern. Blücher aber
rief, als Abends im Wartenburger Schlosse der Becher kreiste, den Sohn
Scharnhorst's an seine Seite, gedachte des Vaters in bewegten Worten,
nannte sich selber bescheiden einen Handwerker, der nur ausführe was
jener Unvergeßliche geplant.
Die Elbe war überschritten. In einer persönlichen Unterredung be-
wog Blücher den schwedischen Kronprinzen seinem Zuge zu folgen; der-
weil Bernadotte in den süßesten Artigkeiten sich erging, rief der Alte seinem
Dolmetscher zu: Sagen Sie dem Kerl, der Teufel soll ihn holen wenn er
nicht will! Schon am 8. October stand die schlesische Armee in der Nähe
von Düben, wenige Meilen nördlich von Leipzig, hinter ihr bei Dessau
das Nordheer. Blücher's Vormarsch brachte Alles in Bewegung. Wäh-
rend das böhmische Heer sich endlich anschickte auf Leipzig zu marschiren,
nahm Napoleon seine Truppen vom rechten Elbufer zurück, mit dem Be-
fehle vorher Alles bis auf den letzten Obstbaum zu zerstören, sicherte
Dresden durch eine starke Garnison und eilte selber nordwestwärts, den
beiden vereinigten Armeen entgegen. Doch Blücher wich abermals aus,