Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

502 I. 4. Der Befreiungskrieg. 
Wachsamkeit der Verbündeten sicher scheitern mußte. Sonst blieb ihm 
nur noch der Rückzug nach Westen offen, erst durch die enge Stadt, dann 
auf einer einzigen Brücke über die Elster, endlich auf dem hohen Damme 
der Frankfurter Landstraße quer durch die nassen Wiesen der Auen — 
der denkbar ungünstigste Weg für ein geschlagenes Heer. 
Am 15. war Rühle von Lilienstern mit einer Botschaft des schle- 
sischen Hauptquartiers bei dem Oberfeldherrn in Pegau angelangt. Gnei- 
senau schlug vor, am ersten Schlachttage das Gefecht hinzuhalten, weil 
mindestens 80,000 Mann von der verbündeten Armee noch nicht zur 
Stelle waren. Sobald diese Verstärkungen eingetroffen, sollte der An- 
griff auf allen Stellen des Halbkreises mit entschiedener Uebermacht wieder 
aufgenommen und indessen durch ein in Napoleon's Rücken entsendetes 
Corps dem Feinde die einzige Rückzugsstraße gesperrt werden; dann war 
nicht nur ein Sieg, sondern eine Vernichtungsschlacht, eine in aller Ge- 
schichte unerhörte Waffenstreckung möglich. Zu so hohen Flügeln ver- 
mochte sich freilich Schwarzenberg nicht aufzuschwingen. Eine Zeit lang 
hoffte er sogar die Schlacht gänzlich zu vermeiden, schon durch das Er- 
scheinen der drei vereinigten Armeen den Imperator zum Rückzuge zu 
nöthigen. Auch als er sich endlich überzeugen mußte, daß ein Napoleon 
so leichten Kaufes nicht zu verdrängen sei, entwarf er einen überaus un- 
glücklichen Schlachtplan. Da die böhmische Armee vom Süden, die bei- 
den anderen Heere vom Norden herankamen, so mußte der Oberfeldherr 
— das war die Meinung des schlesischen Hauptquartiers — die Entschei- 
dung auf seiner rechten Flanke suchen, dort auf der Rechten sich mit der 
Nordarmee zu verbinden streben um die Umklammerung des Feindes zu 
vollenden. Statt dessen ballte er eine Masse von 35,000 Mann, lauter 
Oesterreicher, auf seinem äußersten linken Flügel zusammen und ließ sie 
durch das unwegsame Buschland der Auen gegen Connewitz vorgehen, in 
der sonderbaren Hoffnung, dort auf ganz unzugänglichen Boden Napoleon's 
rechten Flügel von der Stadt abzudrängen. Sein General Langenau 
hatte diesen unseligen Anschlag eingegeben; der ehrgeizige Sachse, der erst 
im Frühjahr zugleich mit dem Minister Senfft in österreichische Dienste 
übergetreten war, brannte vor Begier sich in der Gnade seines Kaisers 
fest zu setzen und wollte darum den Hauptschlag durch die Oesterreicher 
allein ausführen, den Preußen, die er mit dem ganzen Ingrimm des Par- 
ticularisten haßte, eine untergeordnete Rolle zuweisen. Der kleinliche Ge- 
danke sollte sich grausam bestrafen. — 
Napoleon sammelte die Hauptmasse seiner Streitkräfte bei Wachau, 
drei Stunden südöstlich der Stadt. Da er von dem Zauderer Bernadotte 
nichts befürchtete und die schlesische Armee noch weitab im Nordwesten 
bei Merseburg wähnte, so gab er dem Marschall Marmont, der im Nor- 
den bei Möckern stand, den Befehl sich mit der Hauptarmee zu vereinigen, 
um die Niederlage des böhmischen Heeres vollständig zu machen. In
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.