Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Lauenburg. Ostfriesland. 669 
wahrlich nicht damit enden, daß die Dänen, wie schon im Kieler Busen, 
so auch am Strelasunde sich einnisteten. Dagegen hatte Hannover selbst 
während seiner Verbündung mit England immer als ein deutsches Land ge- 
golten, und seine gänzliche Abtrennung von Großbritannien schien damals, 
da Prinzeß Charlotte noch lebte, sehr nahe, schon nach dem Tode des Prinz- 
regenten bevorzustehen; an Hannover abgetreten ging Ostfriesland dem 
deutschen Leben nicht verloren. Hardenberg hat keineswegs, wie ihm er- 
bitterte Patrioten vorwarfen, in frevelhaftem Leichtsinn das ostfriesische 
Land preisgegeben, sondern das Für und Wider der verwickelten Frage 
gewissenhaft abgewogen und dann mit seinem richtigen politischen Blicke 
das kleinere Uebel gewählt. Schon am 15. Februar ließ er in der Staats- 
kanzlei einen Artikel für die Berliner Zeitungen schreiben, um die Leser- 
welt auf die Abtretung Ostfrieslands vorzubereiten und zugleich anzu- 
deuten, dies schmerzliche Opfer sei das einzige Mittel zur Erwerbung des 
ungleich werthvolleren Vorpommerns. Der Aufsatz aber fand weder bei 
den Zeitgenossen noch bei späteren Historikern Beachtung. Im März 
endlich gab der König widerstrebend seine Zustimmung. Da erhob sich 
ein letztes unerwartetes Hinderniß. Nach der thörichten Familien-Ueber- 
lieferung der Welfen war Ostfriesland ein altes Erbe des Welfenhauses, 
nur durch Gewalt und List an Preußen gekommen. Der Prinzregent er- 
fuhr also mit lebhafter Entrüstung, daß er für den Heimfall dieses ur- 
welfischen Landes auch noch Lauenburg herausgeben sollte. Er sträubte 
sich auf's Aeußerste; dieser Liebloseste aller Söhne verspürte plötzlich An- 
wandlungen kindlichen Zartgefühls und versicherte, seine „Delicatesse" 
verbiete ihm, noch bei Lebzeiten seines geisteskranken Vaters eine Provinz 
abzutreten. Münster mußte alle seine Beredsamkeit aufbieten; er stellte 
dem Erzürnten vor, daß Lauenburg für Preußens pommersche Absichten 
in der That unentbehrlich sei. Erhebe man Schwierigkeiten, so werde 
der ohnehin erbitterte König von Preußen vielleicht den ganzen Handel 
rückgängig machen; und am Ende bleibe ja noch die erfreuliche Aussicht, 
daß Preußen bei dem neuen Kriege gegen Napoleon wieder des guten 
englischen Geldes bedürfen würde, dann könne man Lauenburg dem Bundes- 
genossen wieder abnehmen! Das wirkte; das zarte Gewissen des Welfen 
war beruhigt. 
So kam denn am 29. Mai der Tauschvertrag zwischen Preußen und 
Hannover zu Stande: Lauenburg für Hildesheim, Goslar, Ostfriesland 
und ein Stück der Grasschaft Lingen; dazu zwei preußische Militärstraßen 
durch Hannover als Ersatz für den gewünschten „Isthmus“. Die alten Reichen- 
bacher Forderungen der Welfen waren also doch, in Folge der sächsischen 
Händel, um etwa 50,000 Seelen herabgemindert worden. Am 4. Juni so- 
dann trat Dänemark seine Rechte auf Schwedisch-Pommern an Preußen 
ab und erhielt dafür Lauenburg nebst 2 Mill. Thaler; der Staatshaus- 
halt war aber dermaßen erschöpft, daß man sich ausbedingen mußte diese
	        
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