Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

VII 
Nach dem Untergange des alten Reichs wird die Darstellung allmäh- 
lich ausführlicher, und mit den Tagen des ersten Pariser Friedens be- 
ginnt dann die eingehende Geschichtserzählung, die ich im zweiten Bande 
zunächst bis zum Jahre 1830 fortzuführen hoffe. Für diesen Zeitraum 
habe ich, mit Erlaubniß des Fürsten Reichskanzlers und des Freiherrn 
von Roggenbach, die Acten des Berliner Geh. Staatsarchivs und des 
Auswärtigen Ministeriums in Karlsruhe benutzt. Ich kann nicht genug 
danken für die freisinnige Bereitwilligkeit, die mir von der hiesigen Archiv- 
verwaltung, erst unter Ihrer, dann unter H. von Sybel's Leitung, immer 
bewiesen wurde. Ich habe dies Vertrauen nicht mißbraucht, weil ich es 
nicht mißbrauchen konnte. In der Geschichte Preußens ist nichts zu be- 
mänteln noch zu verschweigen. Was dieser Staat geirrt und gesündigt 
hat weiß alle Welt schon längst, Dank der Mißgunst aller unserer Nach- 
barn, Dank der Tadelsucht unseres eigenen Volks; ehrliche Forschung 
führt in den meisten Fällen zu der Erkenntniß, daß seine Staatskunst 
selbst in ihren schwachen Zeiten besser war als ihr Ruf. 
Es giebt viele Arten Geschichte zu schreiben, und jede ist berechtigt 
wenn sie nur ihren Stil rein und streng einhält. Dies Buch will einfach 
erzählen und urtheilen. Sollte die Darstellung nicht völlig formlos wer- 
den, so durfte ich den Lesern nur das fertige Ergebniß der Untersuchung 
vorlegen ohne ihnen das Handwerkszeug der Forschung aufzuweisen oder 
sie mit polemischen Auseinandersetzungen zu belästigen. 
Indem ich noch einmal zurückblicke auf die anderthalb Jahrhunderte, 
welche dieser Band zu schildern versucht, empfinde ich wieder, wie so oft 
beim Schreiben, den Reichthum und die schlichte Größe unserer vater- 
ländischen Geschichte. Kein Volk hat besseren Grund als wir, das An- 
denken seiner hart kämpfenden Väter in Ehren zu halten, und kein Volk, 
leider, erinnert sich so selten, durch wie viel Blut und Thränen, durch 
wie viel Schweiß des Hirnes und der Hände ihm der Segen seiner Ein- 
heit geschaffen wurde. Sie, lieber Freund, haben schon in der Paulskirche 
den Traum vom preußischen Reiche deutscher Nation geträumt und sind 
im Herzen jünger geblieben als Mancher aus dem altklugen Nachwuchs; 
denn Sie wissen, wie erträglich die Sorgen der Gegenwart erscheinen neben 
dem Jammer der alten kaiserlosen Tage. Sie werden mich nicht tadeln, 
wenn Ihnen aus der gleichmäßigen Ruhe der historischen Rede dann und
	        
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