716 II. 2. Belle Alliance.
Prunk der Kammerverhandlungen, an der lauten Kritik der freien Presse.
Die constitutionelle Doctrin fand wieder ehrliche, überzeugte Bekenner.
Tausende glaubten treuherzig, es sei die Bestimmung dieses Volkes der
Freiheit, die englische Parlamentsherrschaft mit dem unantastbaren napo—
leonischen Verwaltungsdespotismus zu verquicken und also den constitutio—
nellen Musterstaat zu begründen; die Verwirklichung dieser Ideale schien
aber leichter möglich unter der schwachen Krone der Bourbonen als unter
der eisernen Herrschaft des Soldatenkaisers. So geschah es, daß die
Gebildeten und Besitzenden sich dem Imperator argwöhnisch fern hielten;
der Curs der Rente sank in wenigen Tagen bis auf 53. Anhänglichkeit
an das königliche Haus zeigten freilich nur einzelne Striche des Südens
und Westens; selbst der legitimistische Aufstand, der in der Vendee aus—
brach, war ungefährlich, da er mehr von dem Adel als von den Bauern
ausging. Die Rückkehr Napoleon's erfolgte zu früh; einige Jahre später,
da die Erinnerung an die Schrecken der Kriegszeit schon mehr verblaßt
und der Groll gegen die Emigranten noch mächtiger angewachsen war,
hätte sie vielleicht Erfolg haben können. Wie jetzt die Dinge lagen ver—
hielt sich die Mehrheit der Nation skeptisch, ängstlich, verlegen. Nur die
Bauern in den allezeit kriegerischen Ostprovinzen und die Arbeitermassen
einiger großen Städte hießen den gekrönten Plebejer willkommen. In den
Vorstädten von Paris that sich eine Föderation zusammen, aber die
jacobinischen Erinnerungen, die hier wieder auflebten, hatten mit dem
Cäsarencultus des Heeres wenig gemein.
Napoleon bemerkte schnell, wie sehr das Land sich verwandelt hatte;
die Bourbonen, sagte er ingrimmig, haben mir Frankreich sehr verdor-
ben. Um die Mittelklassen zu gewinnen mußte er mit den liberalen
Ideen liebäugeln: „das Genie hat gegen das Jahrhundert gekämpft, das
Jahrhundert hat gesiegt!“ In geschickten Manifesten stellte er sich als den
Erwählten des Volkes dar und hob den popularen Charakter des Kaiser-
reichs hervor, das die Demokratie disciplinirt, die Gleichheit vollendet und
die Freiheit vorbereitet habe. Doch Verheißungen genügten längst nicht
mehr. Er sah sich genöthigt ein Cabinet aus Männern der Revolution zu
bilden und die Verfassung des Kaiserreichs durch eine Zusatzacte zu ergän-
zen, welche der Nation eine gewählte Volksvertretung, die Preßfreiheit, das
Petitionsrecht, ja sogar eine Beschränkung der militärischen Gerichtsbarkeit
gewährte. So mußte er sich selber die Hände binden, in einem Augen-
blicke, da nur eine schrankenlose Dictatur die friedenslustige Nation zu
starker kriegerischer Anstrengung zwingen konnte. In Tricots und antikem
Mantel zog er dann auf das Maifeld hinaus um die Schaulust der
Pariser durch ein großes volksthümlich-militärisches Spektakelstück zu be-
friedigen und öffentlich sein demokratisches Glaubensbekenntniß abzulegen:
„als Kaiser, als Consul, als Soldat verdanke ich Alles dem Volkel!“
Seine Lieblingstochter Hortensia und ihr kleiner Sohn Ludwig wohnten