Napoleon's Aechtung. 719
allen den politischen Wirren, welche die rathlose Ueberraschung der
französischen Nation erklärten. Den Preußen war Frankreichs Volk ein—
fach eine Rotte von Verräthern, sein Heer eine eidvergessene Soldatesca,
die sich mit ihrem alten Räuberhauptmann zu neuen Plünderungszügen
verschwor. Und mit dem grimmigen Hasse verband sich diesmal ein
Gefühl freudigen Stolzes. Der alte Blücher sprach seinen Preußen wieder
aus der Seele, da er auf die erste Nachricht jubelnd rief: „das ist das
größte Glück für uns, nun kann die Armee wieder gut machen was die
Diplomaten verfehlten.“ Erst durch den Verlauf des Congresses und
Talleyrand's feindselige Zettelungen hatte die Masse der Patrioten im
Norden klar erkannt, wie matt und schwächlich der Pariser Friedensschluß
gewesen und wie wenig gesichert unsere Westgrenze war. Sobald sich die
Aussicht auf einen neuen Krieg eröffnete, erhob die Presse, der Rheinische
Mercur voran, sofort den Ruf: jetzt endlich sei die Zeit gekommen dem
gallischen Raubthier die Zähne auszubrechen. In tausend Tönen, weit
lauter und bestimmter als ein Jahr zuvor, erklang die Forderung: heraus
mit dem alten Raube, heraus mit Elsaß und Lothringen!
Auch den Höfen war keinen Augenblick zweifelhaft, daß sie die Zer-
störung des Pariser Friedens nicht dulden durften. Schon am 8. März
schlug Stein die Aechtung des Friedensbrechers vor. Am 13. traten die
acht Mächte, welche den Friedensschluß unterzeichnet hatten, zusammen
und beschlossen eine öffentliche Erklärung, worin sie den Völkern Europas
verkündeten, daß Napoleon Buonaparte sich selber außerhalb des bürger-
lichen und politischen Rechts gestellt, als Feind und Störer der Ruhe
der Welt sich der öffentlichen Verfolgung preisgegeben habe. Die Bona-
partisten schrieen Zeter über diesen unerhörten, diesen menschenfresserischen
Beschluß; doch er sprach nur aus, was das empörte Gewissen aller Deut-
schen und Russen und der großen Mehrheit des englischen Volkes gebiete-
risch forderte. Am 25. März erneuerten die vier Verbündeten von Chau-
mont ihr altes Bündniß, boten dem Könige von Frankreich sowie jedem
anderen von Buonaparte angegriffenen Lande auf Verlangen ihren Beistand
an, luden alle Mächte Europas zum Beitritt ein und verpflichteten sich
die Waffen nicht eher niederzulegen als bis Buonaparte außer Stand
gesetzt sei neue Unruhen zu erregen und sich der Staatsgewalt in Frank-
reich abermals zu bemächtigen. Die Achtserklärung schloß eine Verände-
rung der französischen Grenzen nicht schlechthin aus, denn sie behielt
den Mächten ausdrücklich das Recht vor die Bestimmungen des Pariser
Friedens zu vervollständigen und zu verstärken. Aber sie beruhte, wie
das Kriegsbündniß vom 25. März, auf einem verhängnißvollen thatsäch-
lichen Irrthum, auf der Annahme, daß die Bourbonen mindestens in
einem Theile Frankreichs sich behaupten und die verbündeten Heere als
Hilfstruppen der königlichen Armee auftreten würden.
Erst einige Tage später erfuhr man in Wien, daß König Ludwig sein