Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

740 II. 2. Belle Alliance. 
mäßig vorbereitet worden wäre. Doch im Wesentlichen traf der Alte das 
Rechte: ohne das verblendete Zaudern Friedrich August's, ohne die schänd— 
liche Aufwiegelung, die von seinen Helfershelfern seit Monaten betrieben 
wurde, wäre das Blut der sächsischen Soldaten bei Lüttich nicht geflossen. — 
In der zweiten Woche des Juni führte Napoleon seine Feldarmee, 
den Marsch geschickt verdeckend, gegen die belgische Grenze um bei Charleroi 
die Sambre zu überschreiten. Von dort geht eine Straße nordwärts über 
Quatrebras nach Brüssel, eine zweite ostwärts in einem großen Bogen 
über Sombreffe nach Namur. Der Imperator wußte über die Aufstel- 
lung der Verbündeten ungefähr, daß Wellington's Heer in der Gegend 
von Brüssel, das preußische bei Namur stand. Das Dreieck zwischen 
Charleroi, Quatrebras und Sombreffe bildete also den natürlichen Platz 
für die Vereinigung der verbündeten Armeen; gelang diese Vereinigung 
rechtzeitig, so war den 210,000 Mann der beiden Feldherren der Sieg 
über die 128,000 Franzosen von vornherein gesichert. Daher beschloß Na- 
poleon hier zwischen die beiden Heere einzubrechen um sie dann getrennt zu 
schlagen. Obwohl er sich durch die Gährung in Frankreich, durch die fast 
hoffnungslose Schwierigkeit seiner militärischen Lage lebhaft beunruhigt 
fühlte und während dieses Feldzuges nach seinem eigenen Geständniß die 
gewohnte kalte Sicherheit nicht immer bewahrte, so war ihm doch die alte 
hochmüthige Geringschätzung des Gegners geblieben. Er hoffte, sein plötz- 
liches Erscheinen werde genügen um Blücher gegen Osten abzudrängen, 
Wellington zum Rückzug nordwärts zu bewegen, so daß der Zwischenraum 
zwischen Beiden sich erweiterte. Daß die Preußen sogleich, dicht an der 
Grenze, eine Schlacht annehmen würden, erwartete er nicht. Aber dies Un- 
erwartete geschah. Sobald Gneisenau das Anrücken des Feindes gegen 
Charleroi erfuhr, befahl er sofort, in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni, 
die Concentration des gesammten Heeres bei Sombreffe, die am 16. voll- 
endet sein sollte. Am 15. bei Morgengrauen begann der Anmarsch der 
Franzosen. Ihr rechter Flügel wendete sich gegen das Armeecorps Zietem's, 
das unter blutigen Gefechten auf der Straße nach Sombreffe zurückging. 
Schon bei diesen ersten Kämpfen zeigte sich die furchtbare Erbitterung 
der beiden Nationen. Wie oft hatten im vorigen Jahre die aus den 
deutschen Festungen heimkehrenden napoleonischen Veteranen in blinder 
Wuth Raufhändel begonnen, wenn sie unterwegs preußischen Regimentern 
begegneten; jetzt galt es Rache zu nehmen an diesen preußischen Hunden, die 
ihrerseits den Haß nicht minder herzhaft erwiderten. Gleichzeitig ging Napo- 
leon's linker Flügel nordwärts auf der Straße nach Quatrebras vor und 
gelangte, da die Spitzen der englischen Armee um eine bedeutende Strecke 
weiter zurückstanden als die Preußen, mit leichter Mühe bis nach Frasnes. 
Die Stellung des preußischen Heeres bei Sombreffe wurde dadurch in 
der rechten Flanke bedroht. Zudem ward auch schon zweifelhaft, ob Bülow's 
Corps am nächsten Tage rechtzeitig bei der Armee eintreffen würde. Um
	        
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