740 II. 2. Belle Alliance.
mäßig vorbereitet worden wäre. Doch im Wesentlichen traf der Alte das
Rechte: ohne das verblendete Zaudern Friedrich August's, ohne die schänd—
liche Aufwiegelung, die von seinen Helfershelfern seit Monaten betrieben
wurde, wäre das Blut der sächsischen Soldaten bei Lüttich nicht geflossen. —
In der zweiten Woche des Juni führte Napoleon seine Feldarmee,
den Marsch geschickt verdeckend, gegen die belgische Grenze um bei Charleroi
die Sambre zu überschreiten. Von dort geht eine Straße nordwärts über
Quatrebras nach Brüssel, eine zweite ostwärts in einem großen Bogen
über Sombreffe nach Namur. Der Imperator wußte über die Aufstel-
lung der Verbündeten ungefähr, daß Wellington's Heer in der Gegend
von Brüssel, das preußische bei Namur stand. Das Dreieck zwischen
Charleroi, Quatrebras und Sombreffe bildete also den natürlichen Platz
für die Vereinigung der verbündeten Armeen; gelang diese Vereinigung
rechtzeitig, so war den 210,000 Mann der beiden Feldherren der Sieg
über die 128,000 Franzosen von vornherein gesichert. Daher beschloß Na-
poleon hier zwischen die beiden Heere einzubrechen um sie dann getrennt zu
schlagen. Obwohl er sich durch die Gährung in Frankreich, durch die fast
hoffnungslose Schwierigkeit seiner militärischen Lage lebhaft beunruhigt
fühlte und während dieses Feldzuges nach seinem eigenen Geständniß die
gewohnte kalte Sicherheit nicht immer bewahrte, so war ihm doch die alte
hochmüthige Geringschätzung des Gegners geblieben. Er hoffte, sein plötz-
liches Erscheinen werde genügen um Blücher gegen Osten abzudrängen,
Wellington zum Rückzug nordwärts zu bewegen, so daß der Zwischenraum
zwischen Beiden sich erweiterte. Daß die Preußen sogleich, dicht an der
Grenze, eine Schlacht annehmen würden, erwartete er nicht. Aber dies Un-
erwartete geschah. Sobald Gneisenau das Anrücken des Feindes gegen
Charleroi erfuhr, befahl er sofort, in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni,
die Concentration des gesammten Heeres bei Sombreffe, die am 16. voll-
endet sein sollte. Am 15. bei Morgengrauen begann der Anmarsch der
Franzosen. Ihr rechter Flügel wendete sich gegen das Armeecorps Zietem's,
das unter blutigen Gefechten auf der Straße nach Sombreffe zurückging.
Schon bei diesen ersten Kämpfen zeigte sich die furchtbare Erbitterung
der beiden Nationen. Wie oft hatten im vorigen Jahre die aus den
deutschen Festungen heimkehrenden napoleonischen Veteranen in blinder
Wuth Raufhändel begonnen, wenn sie unterwegs preußischen Regimentern
begegneten; jetzt galt es Rache zu nehmen an diesen preußischen Hunden, die
ihrerseits den Haß nicht minder herzhaft erwiderten. Gleichzeitig ging Napo-
leon's linker Flügel nordwärts auf der Straße nach Quatrebras vor und
gelangte, da die Spitzen der englischen Armee um eine bedeutende Strecke
weiter zurückstanden als die Preußen, mit leichter Mühe bis nach Frasnes.
Die Stellung des preußischen Heeres bei Sombreffe wurde dadurch in
der rechten Flanke bedroht. Zudem ward auch schon zweifelhaft, ob Bülow's
Corps am nächsten Tage rechtzeitig bei der Armee eintreffen würde. Um