Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Der Philosoph von Sanssouci. 83 
treibt, gewaltsam zu bändigen. So kühn und frech der Zweifel und 
der Spott in seinem Kopfe sich regen, die sittliche Weltordnung, der Ge— 
danke der Pflicht steht ihm unantastbar fest. Die furchtbare Ernsthaftig— 
keit seines ganz der Pflicht geweihten Lebens ist wie durch eines Himmels 
Weite getrennt von der lockeren und weichlichen Moral der Pariser Auf— 
klärung. Wie seine Schriften — in jenem klaren und scharfen Stile, der 
zuweilen trivial, doch nie verschwommen wird — immer mit unaufhalt— 
samer Willenskraft auf einen sicheren, bestimmten, greifbaren Schluß 
losdrängen, so will er auch das Leben nach der erkannten Wahrheit ge— 
stalten; soweit es der Widerstand einer barbarischen Welt erlaubt, sucht 
er die Humanität, die er die Cardinaltugend jedes denkenden Wesens 
nennt, die Herrschaft in Staat und Gesellschaft zu sichern und geht dem 
Tode entgegen mit dem ruhigen Bewußtsein „die Welt überhäuft mit 
meinen Wohlthaten zurückzulassen“. 
Gleichwohl gelingt ihm niemals den Zwiespalt seiner Seele völlig 
zu überwinden. Der innere Widerspruch verräth sich schon in Friedrich's 
beißendem Witze, er tritt darum so grell heraus, weil der Held in seiner 
stolzen Wahrhaftigkeit nie daran denkt ihn zu verstecken. Das Leben 
des Genius ist immer geheimnißvoll, selten erscheint es so schwer ver— 
ständlich wie in dem Reichthum dieses zwiegetheilten Geistes. Der König 
sieht mit überlegener Ironie auf die plumpe Unwissenheit seiner märkischen 
Edelleute herunter, er athmet auf, wenn er von der Langeweile dieser 
geistlosen Gesellschaft sich erholen kann bei dem einzigen Manne, zu dem 
er bewundernd emporschaut, dem Meister der gallischen Musensprache; 
dabei fühlt er doch, was er der guten Klinge jenes rauhen Geschlechtes 
verdankt, er findet nicht Worte genug, den Muth, die Treue, den ehren— 
haften Sinn seines Adels zu preisen, er zügelt seinen Spott vor dem 
handfesten Bibelglauben des alten Zieten. Die Franzosen sind ihm will— 
kommene Gäste für die heiteren Stunden des Nachtisches; seine Achtung 
gehört den Deutschen. Niemand von den ausländischen Genossen ist dem 
Herzen Friedrich's so nahe getreten wie jener „Seelenmensch“ Winterfeldt, 
der seine deutsche Art auch gegen den königlichen Freund tapfer behauptete. 
Oftmals sehnt sich Friedrich in seinen Briefen hinüber nach dem neuen 
Athen an der Seine und beklagt den Neid mißgünstiger Götter, der den 
Sohn der Musen verdammt hat im kimmerischen Winterlande über 
Sklaven zu herrschen; und dennoch theilt er unverdrossen wie sein Vater 
die Sorgen und Mühen dieses armen Volkes, von Herzen froh des neuen 
Lebens, das unter den harten Fäusten seiner Bauern aufsprießt, und ruft 
stolz: „ich ziehe unsere Einfachheit, selbst unsere Armuth jenen verdammten 
Reichthümern vor, welche die Würde unseres Geschlechts verderben.“ Wehe 
den fremden Poeten, wenn sie sich unterstehen dem Könige einen poli- 
tischen Rathschlag zu geben; hart und höhnisch weist er sie dann in die 
Schranken ihrer Kunst zurück. 
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