130 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
main wiedergewinne, was am Obermain, in Ansbach-Bayreuth verloren
worden; dann erst sei ganz Norddeutschland durch preußisches Gebiet um—
klammert und die wichtige militärische Position der Kinzig-Pässe nebst der
Haupthandelsstraße Deutschlands, der Frankfurt-Leipziger, komme in preu—
ßischen Besitz. Warnend verwies er auf die feindselige Gesinnung der rhein-
bündischen Staaten des Südens: „scheint sie doch in Absicht Deutschlands
mit Frankreich fast einerlei Interesse zu beseelen, nämlich Zersplitterung und
Isolierung der deutschen Volkskraft, Verhinderung aller Einheit;" darum
beschwor er den Staatskanzler, ein Stück preußischen Gebiets als trennen-
den Keil zwischen Hessen und Bayern einzuschieben, damit die norddeutschen
Mittelstaaten nicht „dem Drucke aus Süden“ bloßgestellt würden.) Aber
wie sollten so kühne Pläne ohne einen Krieg verwirklicht werden? Die
Regierung lehnte den Vorschlag ab: sie war ehrlich entschlossen sich mit
dem neuen Besitzstande zu begnügen, zumal da der König jeden Gebiets-
austausch als eine Verletzung seiner Regentenpflicht verschmähte. Harden-
bergs deutsche Politik begnügte sich mit der bescheideneren Aufgabe, den
zu Wien verheißenen Ausbau der Bundesverfassung zu fördern und vor
allem das Bundesheerwesen fest zu begründen.
Zur Durchführung dieser friedlichen Pläne schien die Freundschaft der
Ostmächte dem Könige wie dem Staatskanzler unentbehrlich; nur betrachtete
Friedrich Wilhelm nach wie vor den Zaren als seinen vertrautesten Bundes-
genossen, während Hardenberg sich zunächst an Osterreich anschloß. Die
Verbindung des königlichen Hauses mit dem russischen Hofe gestaltete sich
noch inniger, als Alexanders Bruder Großfürst Nikolaus um die Hand
der liebenswürdigen Prinzessin Charlotte anhielt. Zwei Jahre darauf, im
Juni 1817 ward die Heirat vollzogen, und die Preußen vernahmen mit
gerechtem Befremden, daß die Prinzessin zur griechischen Kirche überge-
treten war. Das weiche Gemüt des Königs vermochte der tiefen Herzens-
neigung seiner schönen Lieblingstochter nicht zu widersprechen; aus väter-
licher Zärtlichkeit brachte der gläubige Protestant dem russischen Hochmute
ein Opfer, das freilich an den kleinen protestantischen Höfen längst für
unbedenklich galt, aber im Hause der Hohenzollern ohne Beispiel war und
dem Stolze einer Großmacht übel anstand. Trotz der Freundschaft der
Höfe standen die beiden Völker bald nach dem Kriege wieder fremd, fast
feindselig einander gegenüber. Die Kosakenschwärmerei des Frühjahres
1813 war längst verflogen, auch die lange Waffenbrüderschaft der beiden
Heere blieb ohne dauernde Folgen. Die preußischen Liberalen schenkten den
pathetischen Außerungen des freisinnigen Selbstherrschers wenig Glauben
und verabscheuten das Moskowitertum als eine Macht der Finsternis; in
den Grenzprovinzen aber verwünschte jedermann die kleinliche und unred-
liche Gehässigkeit der russischen Zollbeamten. —
5) Motz, Denkschrift, „Über die geographische Verbindung der Ost= mit der West-
hälfte des preußischen Staates- 1817. Humboldts Antwort 18. März 1819.
— — — — — — —