Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die ehrlichen Föderalisten. 141 
unzählige andere Angelegenheiten sollten den Bundestag beschäftigen, auf 
dessen Tische der entzückte Luxemburger schon Krone und Szepter liegen 
sah.“) Aber auch die Ruhigen in diesem kleinstaatlichen Kreise erfüllte 
ein unermeßlicher Dünkel. Der alte Wahn der deutschen Libertät schmückte 
sich mit neuen Federn. Durch die schrankenlose Souveränität waren Lippe, 
Lübeck und Preußen einander völlig gleichgestellt; kein Zweifel also, daß 
dies Nebeneinander von neununddreißig vollkommen gleichen und vollkommen 
selbständigen Staaten ganz von selbst, allein durch die Wunderkraft der 
Einigkeit, eine großartige politische Wirksamkeit entfalten mußte, wenn man 
nur jedem einzelnen Bundesgliede sorgsam verbot einen gefährlichen über— 
mächtigen Einfluß auszuüben! 
Selbst der nüchterne Republikaner Smidt, der in allen Angelegen— 
heiten seines geliebten Bremens stets den sicheren und weiten Blick des 
echten Staatsmannes bewährte, selbst dieser bedeutendste Kopf der Frank— 
furter Versammlung lebte sich bald ein in die Traumwelt des Föderalismus 
und setzte den redlichen patriotischen Eifer, der ihn selber beseelte, arglos 
auch bei seinen Genossen voraus. Wie herrlich, daß nunmehr ganz Deutsch— 
land eine große Staatenrepublik bildete und die Souveränität von den 
Einzelnen ausging! Nur sollten diese souveränen Einzelnen auch nach re— 
publikanischer Art durchaus als Gleiche behandelt werden; denn warum 
konnte nicht auch in Deutschland „das Heil so gut von Nazareth wie von 
Jerusalem kommen“? Die souveränen Hansestädte mußten endlich „aus 
der Roture heraus“, sie durften sich nicht mehr mit so bescheidenen Um— 
gangsformen begnügen, wie einst da sie noch den kaiserlichen Adler auf 
ihren Münzen führten; das ging doch nimmermehr an, daß der olden— 
burgische Nachbar einen Hohen Bremer Senat auch fürderhin in Reskrip— 
tenstile mit seinem unehrerbietigen „Wir Peter“ anredete! Der Hoffnungs- 
volle sah in diesem Bunde der Gleichen das Mittel die deutschen Groß- 
mächte zur Gerechtigkeit zu erziehen und behauptete: „große Staaten bringen 
Kraft und Stärke in den Bund, die kleineren Liebe zur Gerechtigkeit und 
Konstitutionsfähigkeit.“ Doch hütete er sich wohl, näher anzugeben, warum 
Mecklenburg konstitutionsfähiger war als Preußen? und welche Art von 
Gerechtigkeit der König von Preußen bei dem hessischen Kurfürsten, dem 
hannoverschen Prinzregenten oder dem württembergischen Könige lernen 
sollte? 
Ihren literarischen Widerhall fanden die Meinungen dieser wohlge- 
sinnten Föderalisten in der Schrift von Heeren „Der Deutsche Bund in 
seinem Verhältnis zu dem europäischen Staatensysteme.“ Der Göttinger 
Historiker, ein achtungswerter Vertreter der alten, dem Leben entfrem- 
deten Stubengelehrsamkeit, hatte sich kürzlich eine Weile in Frankfurt auf- 
gehalten, mit Smidt und den anderen Bundesgesandten viel verkehrt und 
  
*) Gagern an Metternich und Hardenberg, 3. Mai. Hardenbergs Antwort, 18. Juni 1816.
	        
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