Privat-Eingaben an den Bundestag. 149
sammlung endlich im Juni 1817 einige provisorische Bestimmungen über
ihre Kompetenz angenommen hatte. Und woher sollte der Bundestag in
schwierigen Fällen die nötigen tatsächlichen Mitteilungen erlangen? Da
er keine Exekutivgewalt besaß, so blieb er immer nur auf den guten Willen
der beteiligten Regierungen angewiesen. Zu alledem endlich die lächerlich
schwerfällige Geschäftsordnung. In seiner Instruktion hatte Hardenberg noch
den Vorschlag gemacht: nach Ablauf einer billigen Frist solle die Versamm-
lung kurzweg ihre Beschlüsse fassen, ohne Rücksicht auf abwesende oder nicht
instruierte Mitglieder. Goltz mußte aber bald einsehen, wie unannehmbar
dieser Gedanke dem Souveränitätsdünkel der kleinen Höfe schien; der würt-
tembergische Gesandte von Linden erklärte sogar rund heraus, ein einstimmiger
Beschluß sei unmöglich, sobald auch nur ein einziger Gesandter fehle. Die
nachlässige Geschäftsführung der Wiener Behörden und Metternichs Gleich-
gültigkeit gegen den Bund bewirkten, daß der österreichische Gesandte fast
regelmäßig am längsten auf seine Instruktionen warten mußte. Da der Prä-
sidialhof also mit schlechtem Beispiele voranging, so gewöhnte man sich bald
die Abstimmungen zu verschieben und wieder zu verschieben, bis auch die letzte
Instruktion eingetroffen war, und das Schicksal der Bundesbeschlüsse lag
am letzten Ende in der Hand der trägsten und böswilligsten Souveräne.
So geschah es, daß selbst diese Privat-Eingaben, denen die Mehrzahl
der Bundesgesandten ein ehrliches Wohlwollen entgegenbrachte, mit schimpf-
licher Langsamkeit erledigt wurden. Die überrheinischen Kleriker, deren
Ansprüche nach der Bundesakte binnen Jahresfrist befriedigt werden sollten,
erhielten erst im Jahre 1824 ihren Bescheid; die Prokuratoren des Kammer-
gerichts mußten bis 1831 warten; die glücklichen Enkel der Gläubiger der
Reichsoperationskasse empfingen im Jahre 1843 die Entschädigung für die
Arbeiten ihrer Großväter aus den Jahren 1793—96; das kur= und ober-
rheinische Schuldenwesen endlich ward erst im Jahre 1844 geordnet, durch
Vermittlung der Krone Preußen, welche für diese schleunige Hilfsleistung
den warmen Dank des Bundestages empfing. Viele der Gesandten lebten
sich gemütlich in dies subalterne Treiben ein, und bald entwickelte sich im
Schoße der Bundesversammlung die eigentümliche Menschenklasse der
Bundesbureaukraten — treufleißige, gewiegte Geschäftsmänner, deren Geist
niemals durch einen politischen Gedanken beunruhigt wurde, aber dafür
in Sachen des Joseph Fahrenkopf und der Lit. D um so genauer Be-
scheid wußte. Das Musterbild dieser Bundestagsphilister war der Ver-
treter der sechzehnten Stimme, von Leonhardi. Auch der gute Goltz schrieb
nach Schluß der ersten Session hoch befriedigt heim: die verheißene Fest-
stellung der Grundgesetze des Bundes sei freilich unmöglich gewesen; dafür
habe die Bundesversammlung ihr Dosein und ihre Wirksamkeit in den
inneren Verhältnissen gezeigt und so auf die innere Beruhigung eingewirkt.)
*) Goltz, Rückblick auf die erste Session der Bundesversammlung, 5. August 1817.