Die Hauptpunkte der Bundeskriegsverfassung. 163
Hardenberg wollte im ersten Zorne Genugtuung von dem Hessen
fordern;*) der Wohlmeinende stand völlig ratlos vor den Kraftleistungen
eines Partikularismus, der so unbefangen eingestand, daß er ohne jede
ernsthafte Gegenleistung nur den Schutz der beiden Großmächte bean—
spruchte und im Notfalle auch den Übergang zum Landesfeinde nicht
scheute. Und dazu die häßliche Verlogenheit der ganzen Beratung: keiner
der Bundesgenossen konnte sich darüber täuschen, daß weder Österreich
noch Preußen jemals sein Heer in zwei Stücke zerreißen würde, und mit-
hin alles Streiten über die Bundeskontingente der beiden Großmächte sinn-
los war. Metternich aber fand das Auftreten der Mittelstaaten keines-
wegs anstößig, sondern verhandelte in der Stille mit den süddeutschen Höfen
und versprach dem Könige von Württemberg: neben den geschlossenen
Massen der österreichischen, preußischen und bayrischen Armee sollten noch
zwei oder drei gemischte Korps gebildet werden, so daß Württemberg, Han-
nover und vielleicht auch Sachsen ein Korpskommando zu besetzen hätten.
Währenddem ward auch Buol von den süddeutschen Gesandten bearbeitet;
der Badener Berckheim fragte ihn vorwurfsvoll, warum Osterreich in
Preußens Schlepptau gehe.“*') In der Sitzung vom 9. April 1818 trat
der Präsidialgesandte endlich offen zu den Mittelstaaten über und legte dem
Bundestage einige „Hauptpunkte“ für die Bundeskriegsverfassung vor,
welche in allem wesentlichen den Anträgen der süddeutschen Höfe ent-
sprachen. Die Versammlung ging freudig darauf ein; Preußen fand sich
gänzlich vereinsamt und genehmigte was nicht mehr zu ändern war.
Der Staatskanzler ward aber selbst durch diese Erfahrung nicht über
die Zuverlässigkeit der österreichischen Freundschaft aufgeklärt, obwohl ihn
Boyen, Wolzogen und sogar der harmlose Goltz wiederholt auf die offen-
bare Zweizüngigkeit der Wiener Politik aufmerksam machten. Noch immer
hielt er Metternich für einen treuen, nur allzu nachgiebigen Freund,
während dieser in Wahrheit zäh und verschlagen, wie die Mittelstaaten,
nur das eine Ziel verfolgte: jede militärische Verstärkung Preußens zu
verhindern. Zur Durchführung jener „Hauptpunkte“ ward ein Ausschuß
des Bundestages eingesetzt und außerdem noch eine aus Offizieren der
größeren Staaten gebildete Militär-Kommission, so daß die militärischen
Angelegenheiten stets drei Instanzen zu durchlaufen hatten. Ein neuer
Zank begann, als Preußen sich bereit erklärte, ebensoviel Truppen zum
Bundesheere zu stellen wie Osterreich, obwohl die Volkszahl seiner Bun-
deslande etwas schwächer war. Der König hatte in seiner arglosen Ehr-
lichkeit gehofft, der Bund würde ihm für dies patriotische Opfer danken,
und fühlte sich schwer enttäuscht, als Metternich dem preußischen Gesandten
mit freundschaftlichem Bedauern antwortete: die Annahme „dieses groß-
*) Hardenberg an Goltz, 21. Februar 1818.
*“) Berckheims Bericht, 8. April. Boyen an Hardenberg, 31. März 1818.
117