290 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
Völker anerkennen muß.“ Also — Umwandlung Preußens in eine Föde—
ration unabhängiger Provinzen mit Provinzialständen und Provinzial—
truppen! Herr von Bojanowsky verlangt eine „Erklärung der Menschen-
rechte“ Herr von Morawsky findet die Menschenwürde nur da vollkommen
gewahrt, wo „ein Obermensch“ regiert, beschränkt durch einen Sénat
conservateur und eine Deputiertenkammer. Auch einzelne Deutsche zeigen
sich angesteckt von der diese Landschaft beherrschenden französischen Bil-
dung. Der Regierungsdirektor von Leipziger bringt einen vollständigen
„Konstitutionsentwurf“ nach der wohlbekannten Pariser Schablone (§ 1.
Das Haus Hohenzollern regiert in ununterbrochener Linie nach den be-
stehenden Hausgesetzen. § 16. Die christliche Religion ist die Religion der
Nation usw.). Offenbar waren solche Ansichten des polnischen Adels,
mit ihren kaum versteckten Hintergedanken, wenig geeignet, die Krone für
die Nachahmung französischer Institutionen zu gewinnen; doch sie lehrten
noch eindringlicher, wie gefährlich es sei, sich mit Provinzialständen zu be-
gnügen. Auf diesen letzteren Punkt legte der Oberpräsident Zerboni großes
Gewicht; er fragte warnend: „wollen wir eine Kantonalverfassung wie in
der Schweiz einführen?" „Noch sind wir keine Nation“ — sagt sein Votum.
„Wir existieren nur in der Idee und erlöschen mit ihr. Es liegen große
Ereignisse im Schoße der Zukunft. Sie wird sie an Preußen anknüpfen.
Wir haben keinen Nebenbuhler, wenn wir die Rolle begreifen, die uns
zugefallen ist.“ Darum Reichsstände für den Gesamtstaat, beschließend,
nicht bloß beratend.)
Im Rheinland standen sich die Ansichten sehr schroff gegenüber. Auf
der einen Seite die altständische Agitation der niederrheinischen Adeligen;
zu ihnen gesellte sich jetzt der Freiherr von Nagel mit einem unerlaubt gründ-
lichen Werke über die jülich-cleve-bergischen Stände, und der alte kur-
triersche Syndikus Hommer, der den trierschen Landtag mitsamt seiner
geistlichen Kurie wiederherstellen wollte. Dem gegenüber die demokratischen
Anschauungen einer ganz modernen bürgerlichen Gesellschaft und, nament-
lich unter den eingebornen Beamten, vereinzelte konstitutionelle Ideen, die
an Frankreichs Nachbarschaft gemahnten. Zwar die Stadträte von Köln
und Trier erinnerten nur in allgemeinen Sätzen an die verheißene Ver-
fassung, als der König in jenem Sommer die Provinz bereiste, und auch
Benzenberg, der sich mit den Gutsbesitzern des Krefelder Kreises an den
Monarchen wendete, bat nur um beratende Stände. Präsident Sethe
dagegen überreichte dem Minister Altenstein eine Denkschrift, welche den
Reichstag allein aus Wahlen hervorgehen ließ, allen selbständigen Staats-
bürgern das Wahlrecht gab, nur die Mediatisierten, als nicht steuerpflichtig,
ausschloß. Uber die altständische Verfassung sagte er kurzab: „sie war
*) Klewitz, Bericht über die Bereisung von Posen usw. Zerboni, Votum vom
28. Nov. 1817.