Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Äußeruͤngen der Notabeln. 291 
nur ein Schattenbild und Blendwerk von Repräsentation.“ Gleichen 
Sinnes forderte ein Düsseldorfer Richter eine Interessenvertretung für die 
sozialen Klassen, mit Ausschluß des Adels. Eine andere rheinische Denk— 
schrift verlangt eine erste Kammer von lebenslänglich Berufenen aus den 
Reihen des Grundbesitzes, des Großkapitals, der Intelligenz, und eine 
zweite Kammer, die von allen selbständigen Staatsbürgern in indirekten 
Wahlen gewählt wird und das gesamte Volk vertritt. Das sei die not— 
wendige Ergänzung der allgemeinen Wehrpflicht. Also kündigten sich hier 
bereits Gedanken an, welche erst das Jahr 1848 zur Reife bringen sollte. 
Mächtig waren sie noch nicht; denn die Masse der Rheinländer lebte allein 
den Sorgen des Handels und Wandels, weder die konstitutionelle Bewegung 
noch die teutonische Schwärmerei der Jugend fand bei ihnen starken Wider- 
hall. In Westfalen scheint Altenstein vornehmlich mit dem Adel ge- 
sprochen zu haben; von einer Unterredung mit Stein schieden beide Teile 
gleich befriedigt.“) 
In den östlichen Provinzen stritt man sich vornehmlich über die Frage, 
ob der kaum erst befreite Bauernstand schon fähig sei zur landständischen 
Wirksamkeit. Den Adel Vorpommerns fand Beyme noch ganz und gar 
erfüllt von altständischen Anschauungen; nur wenige Edelleute wünschten 
Reformen, vor Allen Fürst Putbus, „ein wahrer Bauernfreund“. Mit 
geringem Erfolge versuchte der Greifswalder Professor Schildener in einer 
Flugschrift den privilegierten Klassen zu erweisen, daß kein anderer Stand 
den pommerschen Geist so treu bewahre wie die mißachteten Bauern. Unter 
den Notabeln von Hinterpommern überwog ebenfalls der Wunsch nach Her- 
stellung der alten Verfassung; indes hielt man die Aufnahme der Bauern 
für unvermeidlich. „Der gute und rührige Geist“, den das Jahr 1813 
in Ostpreußen erweckt hatte, berührte den Minister wohltuend. Hier galt 
die Vertretung des Bauernstandes überall als notwendig. In West- 
preußen wurde Beyme überrascht durch die allgemeine politische Gleich- 
gültigkeit: die Städte klagten lebhaft über die ungewohnten Lasten der 
Städteordnung, der Adel sprach zumeist gegen die Landstandschaft der 
bürgerlichen Rittergutsbesitzer) 
Die Mehrzahl der schlesischen Notabeln war für die Vertretung aller 
drei Stände in Niederschlesien; doch wurde fast allgemein bezweifelt, ob 
der oberschlesische Bauer für politische Tätigkeit reif sei. Selbst der hoch- 
konservative Feldmarschall York erklärte — so stark war der Eindruck des 
königlichen Worts gewesen: — „Die monarchische Verfassung und Ver- 
waltung, wie sie unter Friedrich dem Großen war, ist mir die liebste 
und beste. Indes ist dem Lande Konstitution und Repräsentation ver- 
sprochen, und das Wort muß gelöst werden. Auch so bald als mög- 
  
*) Kommissionsakten, die Bereisung der westlichen Provinzen betreffend. 
**) Beymes Bericht über die Bereisung von Pommern und Preußen. 
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