Altbayern. 325
bayrischen Hauses, der gewaltige Maximilian I. eine seltene staatsmännische
Begabung um den Jammer des Glaubenskrieges über sein Vaterland
heraufzubeschwören; er stiftete die katholische Liga, er verfolgte, noch un-
versöhnlicher als der Kaiser selbst, die protestantischen pfälzischen Vettern
und führte noch nach dem Westfälischen Frieden, wider das Gesetz des
Reichs, seine Siegesbeute, die Oberpfalz gewaltsam zur katholischen Kirche
zurück. Kein Ketzer durfte dies Land der Glaubenseinheit bewohnen; allen
bayrischen Untertanen war der Aufenthalt in protestantischen Gebieten
untersagt. Der Bund des Fürstenhauses mit dem römischen Stuhle stand
um so fester, da das Herzogtum keinen eigenen Bischof besaß und die
Landesherren der Hilfe des Papstes bedurften um sich der herrischen An-
sprüche von sieben benachbarten reichsunmittelbaren Bischöfen zu erwehren.
Dem Glanze des Hofes kam diese hart katholische Politik zu gute; sie er-
warb ihm die Kurfürstenwürde und verschaffte seinen nachgeborenen Prinzen
reiche Versorgung in den großen Stiftern des Reichs, so daß Kurköln fast
zweihundert Jahre lang von bayrischen Fürsten regiert wurde und drei,
zuweilen vier Kurstimmen dem Hause Wittelsbach angehörten. Aber zu
der selbstbewußten Haltung einer unabhängigen Macht vermochte die
Dynastie seit dem Tode des großen Max nicht mehr zu gelangen; bedroht
durch die Eroberungslust des österreichischen Nachbarn schloß sie immer
wieder den verhängnisvollen Bund mit dem Versailler Hofe, in München
wie in Köln gab der französische Gesandte den Ausschlag.
Unterdessen versank das altbayrische Volk in den Seelenschlaf eines
behäbigen Sonderlebens. Während Franken und Alemannen sich überall
leicht zusammenfanden, stand der konservativste aller oberdeutschen Stämme
dem schweren niedersächsischen Volkstum innerlich näher als den ober-
ländischen Nachbarn. Nur die nördlichsten Ausläufer des bayrischen
Stammes hatten sich etwas mit den Franken vermischt; von dem stamm-
verwandten Osterreicher war der Bayer durch alten politischen Haß ge-
trennt, und gegen Schwaben hin bildete der Lech von altersher eine
starke natürliche Grenze, die den nachbarlichen Verkehr fast gänzlich ab-
schnitt. Neben der unübersehbaren Mannigfaltigkeit des schwäbischen
Lebens erschien Altbayern als eine geschlossene Masse; kaum daß sich in
der Oberpfalz ein leiser Unterschied des Dialekts zeigte. Wohl trug der
reiche niederbayrische Waizengraf seinen Bauernstolz, seine urwüchsige
Kraft weit ungeschlachter zur Schau als der beweglichere, sangeslustige
Jäger der Alpen oder der schlichte Wäldler aus dem armen Bayrischen
Walde; im Grunde waren doch alle Bayern wie aus einem Holze ge-
schnitzt. Überall dieselben Charakterzüge rüstiger Tapferkeit, unverwüst-
licher Lebenslust und gemütlicher Schlauheit; überall der gleiche naive
Stammesstolz, der „das Deutschland“ zur Not noch als ein Nebenland
Bayerns gelten ließ, und dieselbe unverbrüchliche dynastische Treue. Wäh-
rend Schwaben eine lange Reihe glorreicher Fürstengeschlechter, die Zäh-