Das Haus Pfalz-Zweibrücken. 327
so erwachte auch in Bayern, sobald das geistliche Regiment ins Wanken
kam, der fanatische Kirchenhaß einer unreifen Freigeisterei. Der neue, nach
dem Muster der Gesellschaft Jesu gestiftete Geheimbund der Illuminaten
kämpfte wider die „Obskuranten“ des Kirchenglaubens ebenso unduldsam
und ebenso gewissenlos wie die Jesuiten wider die Ketzerei und fand trotz
strenger Verbote zahlreiche Anhänger unter den höheren Ständen. Die
Reformen Maximilians III. gerieten sogleich ins Stocken, als Karl
Theodor von der Pfalz den Thron bestieg. Der Klerus nahm von neuem
die Herrschaft an sich, und in der Verwaltung riß ein schamloser Nepo-
tismus ein; das pfalzbayrische Beamtentum zählte sogar eine Mademeiselle
Grenzhauptmautnerin und eine Frau Oberforstmeisterin unter seinen Mit-
gliedern. Als die Leiche Karl Theodors durch die Straßen geführt wurde,
warf das Volk mit Steinen nach dem Sarge, weil der Pfälzer, der den
Bayern immer ein Fremdling blieb, das Land an Osterreich hatte ver-
kaufen wollen. Der Groll wider diese elende Regierung und das geheime
Fortwirken der Illuminaten ebneten den Boden für die Lehren der Revo-
lution. Nach dem Einrücken Moreaus schoß in München eine Schmutz=
literatur auf, deren jakobinische Roheit die gleichzeitigen Schriften der
unzufriedenen Schwaben noch überbot; wütende Gedichte verkündeten
„Krieg und ewige Bataille jeder heuchelnden Kanaille".
In solcher Lage, während die Massen in dumpfem Schlummer ver-
harrten, ein Teil der Gebildeten mit revolutionären Gedanken kindisch
spielte, hielt Max Joseph von Zweibrücken seinen Einzug und mit ihm
die neue Zeit. Die neue Dynastie vereinigte endlich wieder die so lange
getrennten Lande des Hauses der Schyren und hegte den Ehrgeiz, auch
die Traditionen der bayrischen und der pfälzischen Wittelsbacher zugleich
in ihre Staatskunst aufzunehmen. Eine berechtigte Politik, aber sehr
schwierig durchzuführen; denn die bayrischen Erinnerungen wiesen auf
Max und die Liga, die pfälzischen auf den Reformator Otto Heinrich
und den Schwedenkönig Karl Gustav!l
Durch die Länderschenkungen Napoleons ward eine ganz neue soziale
Kraft in das bayrische Staatsleben eingeführt: ein strahlender Kranz von
schönen hochberühmten Städten gesellte sich zu den altbayrischen Bauern-
landen. Die meisten dieser stolzen Kommunen erschienen freilich nur als
malerische Trümmerstätten alter Herrlichkeit. Die Veränderung der Welt-
handelsstraßen hatte die Stapelplätze Lindau und Passau verödet; auch
dem alten Regensburg konnten einzelne große Geschäfte, wie die Waffen-
fabrik von Kuchenreuter, den verlorenen Verkehr nicht wiederschaffen.
Die gewaltigen Mauertürme von Nördlingen umschlossen nur noch eine
stille Landstadt, wohin der Bauer aus dem Ries zur Schranne fuhr; der
städtische Gewerbfleiß von Bamberg bedeutete nichts mehr neben der Be-
triebsamkeit der kleinen Gärtner vor den Toren. Rothenburg mit seinen
prangenden Kirchen und Rathäusern lag wie eine Totenstadt auf der Höhe