400 II. 7. Die Burschenschaft.
gefleischte Bonapartist, wagte seine Herren Stände nicht anzutasten. Der
Adel war von dem Bürgertum durch Kastenstolz und mannigfache Pri—
vilegien scharf getrennt, obwohl er sich weder durch reichen Besitz noch
durch historischen Ruhm auszeichnete. Im Gothaischen Landtage spielten
die beiden Bürgermeister eine traurige Rolle neben der stolzen Grafenkurie,
die aus dem einen Vertreter des Hohenlohischen Hauses bestand, und der
dichten Schar der Ritterschaft: wer einen Anteil an einem Ritterlehen
besaß war Landstand, so daß einst zweiundzwanzig Wangenheime auf ein—
mal erschienen. Auch der sprichwörtliche Jammer des thüringischen Heer—
wesens war unverändert geblieben. Noch erzählte sich das Volk gern von
den Schrecken des Wasunger Kriegs: wie damals die Gothaer und die
Meininger in dem thüringischen Abdera Wasungen feindlich aufeinander
gestoßen und beide Kriegsheere mehr vorsichtig als heldenmütig von dem
wichtigen Platze wieder abgezogen waren. Aber auch in den ernsten Kriegen
der jüngsten Zeit hatte sich die Hilflosigkeit dieser Kleinstaaterei ebenso
tragikomisch gezeigt. Im Siebenjährigen Kriege stellte der Herzog von Gotha
einige Bataillone gegen englische Subsidien in das Heer Ferdinands von
Braunschweig, während sein Reichskontingent gegen Preußen focht; im
Jahre 1813 stand ein Teil der Weimarischen Truppen beim Yorkschen
Korps, ein anderer unter Napoleons Fahnen. Durch das Machtgebot
des Imperators war endlich einige Ordnung in das Gewirr dieser win—
zigen Kontingente gekommen; mehrere der allerkleinsten hatte er, ohne
alle Ehrerbietung für den Unterschied des Rudolstädter und des Sonders-
häusener Nationalcharakters, in einem anonymen Bataillon des Princes
untergesteckt. Nach dem Kriege aber wurde der größte Teil der Truppen
zur Freude des Volks wieder entlassen. Für den Schutz des Landes
mochte Preußen sorgen. Die friedfertigen Thüringer erfreuten sich lieber
an dem herrlichen Anblick der gothaischen Gardereiter, die mit breiten
Schlachtschwertern, mit hohen Reiterstiefeln und klirrenden Sporen ein-
herstolzierten; es waren biedere Handwerker, die gegen billigen Tagelohn
das Waffenhandwerk als Reihedienst besorgten und bei der Ablösung die
Uniformen der Abmarschierenden anzogen; Pferde waren dieser Reiterei
völlig unbekannt. Zum Uberfluß besaß Gotha eine Festung auf dem
Gipfel des einen der Drei Gleichen; drohend blickten die vier Feuer-
schlünde der Wachsenburg nach den beiden anderen Gleichen hinüber,
welche ihr neuer Landesherr, der König von Preußen, leichtsinnigerweise
unbefestigt ließ.
Auch für die Förderung des Verkehrs reichten die dürftigen Mittel
nirgends aus, da der Ertrag des reichen Kammerguts großenteils für
den Unterhalt der Höfe verwendet wurde. Alle Welt lachte über den
scheußlichen Zustand der gothaischen Landstraßen, niemand herzlicher als
die preußischen Zollbeamten bei Langensalza; denn regelmäßig pflegten die
Frachtwagen dicht vor dem preußischen Schlagbaum in dem berüchtigten