Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

434 II. 7. Die Burschenschaft. 
Aber auch sein frecher Witz und seine behende Feder waren dem alten 
Schelm treu geblieben; über den unduldsamen Hochmut der Jugend 
sagte er manches treffende Wort, für ihre Ungezogenheit hatte er ein 
scharfes Auge, und wenn er die Isis in seiner lustigen „Empfehlung der 
Eselsköpfe“ durchhechelte, so blieb er der Sieger, da die aufgeblasenen witz- 
losen jungen Herren ihm nicht mit derselben Waffe zu antworten ver- 
standen. Kotzebue lebte als russischer Legationsrat in Weimar, und 
schon diese diplomatische Stellung erregte Argernis; denn er war ein 
Weimarer Kind, er verdankte den Deutschen allein seinen literarischen 
Namen und erlaubte sich in seinem Wochenblatte ganz wie ein deutscher 
Staatsbürger über die vaterländischen Angelegenheiten mitzureden. Aber 
wer durfte auch von diesem Manne das Feingefühl des nationalen Stolzes 
verlangen? Es war ein offenes Geheimnis, daß überall in Deutschland 
geheime Agenten der Petersburger Polizei lebten; als der russische Staats- 
rat Faber die Rheinlande bereiste, hielt Graf Solms-Laubach für nötig 
ihm den treuen Bärsch als Aufpasser nachzusenden; das russische Kabinett 
verdankte seine Kenntnis der europäischen Zustände vornehmlich den Mit- 
teilungen, welche alle im Westen lebenden vornehmen Russen ihrem Hofe 
zu senden pflegten. Auch Kotzebue schickte von Zeit zu Zeit Berichte nach 
Petersburg, doch zählte er keineswegs zu den gefährlichen Spähern, da 
seine Bulletins lediglich kritische Ubersichten über die neuesten Erschei- 
nungen der deutschen Literatur brachten. 
Da kam eines Tages Kotzebues Schreiber zu dem Redakteur des 
Oppositionsblattes, Lindner, der mit ihm in einem Hause wohnte, und 
ersuchte seinen Hausgenossen arglos, ihm einige Stellen aus einem fran- 
zösischen Berichte seines Herrn entziffern zu helfen. Lindner erkannte so- 
fort was er vor sich hatte, bat sich die Bogen für eine Stunde aus, 
schrieb die wichtigsten Stellen ab und hielt es nicht für unehrenhaft, das 
also entwendete Bulletin alsbald an Luden mitzuteilen. Das Blatt 
enthielt nichts weiter als ein paar flüchtige und ungenaue, aber dem Sinne 
nach richtige Auszüge aus der Nemesis und ähnlichen Schriften, dazu 
einige wenig schmeichelhafte Urteile über Ludens Schriftstellerei, wie sie 
von einem politischen Gegner sich nicht anders erwarten ließen; die Jenenser 
mindestens pflegten mit ihren Feinden weit gröblicher umzuspringen. Luden 
aber, dem es nicht an Weltklugheit fehlte, ergriff begierig die Gelegenheit 
um einen gefürchteten Gegner bloßzustellen und zugleich sich selber von 
dem Verdachte demagogischer Gesinnung zu reinigen. Er ließ das ent- 
wendete Blatt drucken, suchte durch eine kleinliche und nicht ganz redliche 
Wortklauberei zu erweisen, daß Kotzebue die unschuldigen Worte der Nemesis 
gefälscht habe, und brandmarkte ihn als lügnerischen Anschwärzer. Auf 
ihrer ganzen Linie schritt die liberale Presse nunmehr zum Angriff wider 
den „russischen Spion“, der doch schlechterdings kein Geheimnis ausge- 
späht, sondern nur über veröffentlichte Druckschriften berichtet hatte. Schlag
	        
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