Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

498 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
Angelegenheit eines Fachministers behandelt werden. „Hier ist“, schrieb 
Hardenberg, „von einer noch nicht existierenden Sache die Rede, die nur 
nach der eignen Ansicht Sr. Maj., wenigstens in den Grundzügen, be— 
stimmt werden kann, und bei der Se. Maj. zu Rate ziehen kann, wen 
Sie wollen. Der König entscheide, ob ich entbehrlich bin oder nicht. 
So lange Se. Maj. meine Dienste für nützlich halten, werde ich meine 
mir verliehene Autorität aufrecht halten und bin dazu verpflichtet.“ Der 
König entschied im Sinne des Kanzlers und befahl dem Minister (17. Febr.) 
mit wenigen, strengen Worten, sich unverzüglich zu erklären, wenn anders 
er noch im königlichen Dienste verbleiben wolle. Humboldt aber unter— 
warf sich (27. Febr.): „es widerspräche allen meinen Gesinnungen, nicht 
Allerhöchst Ihrem Dienste so lange meine Kräfte zu widmen, als dies 
nur auf die entfernteste Weise von meinem Entschlusse abhängt.“) 
Unter solchen Kundgebungen des Mißtrauens, ja der Ungnade wurde 
Humboldt in den Rat der Krone berufen. Er fühlte sich tief gekränkt 
und rechtfertigte seinen Entschluß vor Freunden mit der Erklärung: als 
widersetzlich wolle er seinem Monarchen nicht erscheinen, auch halte er 
sich verpflichtet, mindestens einen Versuch zu wagen.“) Die ganze Wahr- 
heit sagte er damit nicht. Er mußte wissen, daß er durch seine letzten 
Briefe für immer mit Hardenberg gebrochen hatte. Wenn er gleichwohl 
eine Stellung annahm, deren beschränkte Befugnisse seinem Talente, seinem 
Selbstgefühle nicht genügten, so konnte er nur die Absicht hegen, im Mi— 
nisterium den Kampf gegen Hardenberg fortzusetzen, bis die Machtstellung 
des Staatskanzlers gebrochen war. Es sollte sich bald zeigen, daß er 
diesen Plan wirklich verfolgte. Vorläufig mußte er noch bis in den 
Sommer hinein in Frankfurt bleiben, um den Territorialrezeß abzu— 
schließen; gereizt wie er war, klagte er seinen Freunden, man halte ihn ab— 
sichtlich von Berlin fern, damit der Staatskanzler seine Verfassungspläne 
ohne ihn vollenden könne. Welch einen seltsamen Anblick bot doch die 
preußische Monarchie gerade in den verhängnisschweren Tagen, da Oster- 
reich sich zum entscheidenden Schlage rüstete. In den Provinzen überall 
eine musterhafte Verwaltung, im Mittelpunkte des Staates ratlose Ver- 
wirrung: ein Ministerium, das auf die dringenden Fragen des Königs 
keine Antwort fand, und zwischen den beiden namhaftesten Staatsmännern 
eine unversöhnliche Feindschaft, die nur mit dem Sturze des einen oder 
des anderen endigen konnte. 
Jener Kampf zwischen Hardenberg und Humboldt erscheint um 
so unerquicklicher, da sie beide über die Grundsätze der Verfassung fast 
die nämliche Ansicht hegten. Noch in Frankfurt (4. Febr.) entwarf Hum- 
boldt für den Freiherrn vom Stein eine große Denkschrift über den Ver- 
*) Humboldt an den König, 11. Febr., mit Randbemerkungen des Staatskanzlers. 
Kabinettsordre an Humboldt, 17. Febr., Antwort Humboldts, 27. Febr. 1819. 
*“) Humboldt an Motz, 18. März 1819. 
 
	        
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