Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Angst der Regierungen. 531 
nichts geringeres als auf den Umsturz aller göttlichen und menschlichen 
Einrichtungen ausgeht; wir wollen den Despotismus unterdrücken, welchen 
die Herren Professoren unter der Agide einer unerfahrenen und allzu 
leicht erregbaren Jugend über die politischen Meinungen Deutschlands 
auszuüben suchen.“) 
Weit folgenreicher ward der Umschwung der Meinungen am Berliner 
Hofe. Wie alle wichtigen Entschlüsse dieser Regierung, so ging auch die 
reaktionäre Wendung des Jahres 1819 von dem Monarchen persönlich aus. 
Der König ward täglich unzufriedener mit seinem Staatskanzler und 
dessen „kurioser" Umgebung; er schloß aus den törichten Artikeln liberaler 
Blätter, welche ihm Wittgenstein geflissentlich zutrug, auf das Dasein einer 
mächtigen Verschwörung und sprach dem Hofbischof Eylert seinen Dank 
aus, als dieser beim Ordensfeste in einer donnernden Rede den rebellischen 
Geist der Zeit brandmarkte. Als nun Sands Tat kund wurde und 
der Mord so viele verblendete Verteidiger fand, da fühlte sich der ge- 
wissenhafte Monarch in seinen heiligsten Empfindungen verletzt; er hielt 
es für Fürstenpflicht mit unnachsichtiger Strenge einzuschreiten, gab den 
Polizeibehörden außerordentliche Vollmachten (4. Mai) und setzte dann 
noch eine Ministerial-Kommission ein zur Leitung der Untersuchungen 
gegen die Demagogen. Den in Jena studierenden Preußen befahl er diese 
Universität zu verlassen, und obgleich die jungen Leute anfangs viel von 
einem heroischen Widerstand gegen den tyrannischen Befehl redeten, so 
gehorchten doch als die Frist ablief alle bis auf den letzten Mann. 
Selbst diese Erfahrung brachte den König nicht auf die Frage, ob der 
Geist der Widersetzlichkeit in der akademischen Welt wirklich so mächtig sei. 
Er meinte jetzt alles durch den Erfolg bestätigt zu sehen, was ihm Metter- 
nich über die Umtriebe der im Dunkeln schleichenden Partei gesagt hatte; 
er verweigerte der neuen Turnordnung, die ihm zur Vollziehung vorlag, 
seine Unterschrift, ließ in Weimar wie in Karlsruhe dringend zur Strenge 
raten, da „die unseligen Verirrungen der Universitäts-Jugend einen 
wahrhaft furchtbaren Grad erreicht haben“", und befahl dem Grafen 
Bernstorff, mit dem österreichischen Gesandten Zichy, der sofort durch 
Kurier Weisung erhalten hatte, wegen außerordentlicher Bundesbeschlüsse 
zu verhandeln.““) Mit flammendem Eifer stürzte sich, von Wittgenstein 
unterstützt, der neue Direktor des Polizeidepartements, Geh. Rat Kamptz 
in die Untersuchungen; als geborner Mecklenburger an ein totenstilles 
öffentliches Leben gewöhnt, scheint er in der Tat an die große Verschwörung 
geglaubt zu haben, obschon er zugleich seine Rachgier an seinen literarischen 
Gegnern kühlen wollte. An ihn drängte sich sogleich eine Rotte verwor- 
  
*) Metternich an Berstett, 17. April; Berstett an Nesselrode, 9. Mai, an Metternich, 
29. Mai 1819. · 
**) Bernstorff an Varnhagen, 23. April; Krusemarks Bericht, 16. April; Weisungen 
an Krusemark, 17. Mai, 15. Juni 1819. 
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