Rauch. 47
Asmus Carstens, des kühnen Rebellen gegen die akademische Kunst, sich
zuerst gebildet und von ihm gelernt, was in den Werken des Altertums
wahrhaftig lebendig und für alle Zeiten gültig sei.
Derweil also die altdeutsche und die klassische Richtung noch in un—
entschiedenem Kampfe lagen, geschah in Berlin eine folgenreiche Wendung.
Während der harten Jahre, da der preußische Staat am Rande des
Bankerotts stand, verbot sich die Errichtung monumentaler Kunstwerke
von selbst. Nur einen künstlerischen Plan mochte der unglückliche König
nicht aufgeben: er wollte seiner Gemahlin ein würdiges Grabmal errich—
ten, und sein gesundes natürliches Gefühl führte ihn auch hier auf den
rechten Weg, obwohl er sich selber bescheiden nur einen Laien in Kunst—
sachen nannte. Sein Herz sehnte sich nach einem verklärten Bilde der
Geliebten; und da er dunkel empfand, daß die Gotik, die seinem nüch—
ternen Wesen ohnehin zu phantastisch vorkam, den Adel der menschlichen
Gestalt nicht zur vollen Geltung gelangen läßt, so wollte er von einer
altdeutschen Grabkapelle nichts hören. Umsonst beteuerte ihm Schinkel,
der während jener Kriegsjahre noch ganz in teutonischen Anschauungen
befangen war: die Architektur des Heidentums sei für uns kalt, die harte
Schicksalsreligion der Alten könne den Gedanken des Todes nicht mit der
liebevollen, tröstenden Heiterkeit des Christentums darstellen. Friedrich
Wilhelm ließ inmitten der düsteren Fichten des Charlottenburger Parkes
einen kleinen dorischen Tempel erbauen, der nur die einfach ernste Hülle
für das Grab der Königin bilden sollte; mit der Ausführung des Denk—
mals selbst wurde Christian Rauch beauftragt, der, einst im Dienste der
Verstorbenen aufgewachsen, durch sie in die Kunst eingeführt, jetzt mit
der ganzen Wärme künstlerischer Begeisterung und persönlicher Verehrung
sein Werk begann. Tausende strömten herbei, als dies Mausoleum im
Frühjahr 1815 eröffnet wurde, die Meisten zuerst nur um das Angesicht
der geliebten Fürstin noch einmal zu sehen. Aber wie sie so dalag, die
liebliche Gestalt in ihrer stillen Hoheit, lebensvoll als ob sie atme, schön
wie ein hellenisches Weib, fromm und friedlich wie eine Christin, jede
Ader der Hände und jede Falte des weißen Marmorgewandes mit der
höchsten technischen Sicherheit und Sorgfalt behandelt, da verspürten selbst
diese nordischen Massen, denen die Skulptur unter allen Künsten am
fernsten liegt, einen Hauch vom Geiste der Antike. Der Zug der Wall—
fahrer währte fort, jahraus, jahrein; jedermann fühlte, die deutsche Kunst
hatte einen ihrer großen Schritte getan. Rauchs klassisch geschulter, for—
menstrenger Realismus errang einen durchschlagenden Erfolg. Die gotische
Kunstschwärmerei verschwand bald aus der Berliner Gesellschaft, selbst der
romantische Kronprinz wendete sich allmählich den klassischen Idealen zu.
Mittlerweile waren die Staatsmänner aus Paris heimgekehrt, Har—
denberg noch ganz erfüllt von den mächtigen Eindrücken der Louvre—
Gallerie; Altenstein und Eichhorn hatten unterwegs auch die Sammlung