Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

98 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
noch einmal mit jugendlicher Schnellkraft aufgestanden, um sich einzuleben 
in einen Gedankenkreis, der seiner Bildung fern lag, um sicheren Blicks 
die rechten Männer, Maassen, Rother, Friese, Hoffmann, an die rechte 
Stelle zu setzen und schließlich bald schmeichelnd bald schlagend alle die 
Gegner von rechts und links zu überwinden, die nur er mit seiner schmieg— 
samen Findigkeit besiegen konnte. Es war nicht das schlechteste Blatt in 
dem vollen Kranze seines Ruhmes. — 
  
Nach solchen Erfolgen durfte Hardenberg sich's wohl zutrauen, daß 
er auch das letzte Ziel aller seiner Reformen noch erreichen und sein Tage— 
werk mit der Berufung des ersten preußischen Landtags abschließen werde. 
Durch die neuen Finanzgesetze war das Versprechen von 1815 förmlich 
erneuert und bekräftigt, die Staatsschuld unter die Obhut der Reichsstände 
gestellt, den Provinzialständen die Mitwirkung bei der Ausgleichung der 
Grundsteuer zugesagt. Von so feierlichen Verheißungen wieder abzugehen 
schien unmöglich. Der König hatte nicht nur diese Gesetze von freien 
Stücken gebilligt, sondern auch während der Verhandlungen der jüngsten 
Monate fast immer im Sinne des Kanzlers sich entschieden und ihn selbst 
gegen die königlichen Prinzen nachdrücklich in Schutz genommen. Alles 
schien auf gutem Wege. In einem Privatbriefe, der bald die Runde durch 
die Zeitungen machte, mahnte Hardenberg, „dem langsamen aber folge- 
rechten Gange der Regierung“ besseres Zutrauen zu schenken: unzweifel- 
haft werde die Verfassung noch zu Stande kommen. Er hoffte um so 
sicherer, über die Flüsterer und Warner, die am Hofe umherschlichen, noch 
den Sieg davonzutragen, da der König alle Eingaben der altständischen 
Particularisten scharf abgewiesen hatte, und außer dem wenig einfluß- 
reichen Klewitz bisher noch kein namhafter Staatsmann, auch Metternich 
nicht, dem Verfassungsplane offen entgegengetreten war. 
Allerdings hatten die Finanzverhandlungen abermals bewiesen, daß 
nicht blos Vorurtheile, sondern auch berechtigte, ernste Bedenken der 
Berufung der Reichsstände entgegenstanden. Wie sollte das nothwendige 
Geheimniß, das über der Bank und der Staatsschuld lag, gewahrt bleiben, 
wenn die allgemeinen Landstände zusammentraten? Und war es nicht 
leicht möglich, daß der Landtag die zur Sicherung des neuen Abgaben- 
systems unentbehrlichen Zollverhandlungen mit den deutschen Nachbar- 
staaten durch particularistische Kleinmeisterei erschweren würde? Weit über- 
wiegende Gründe sprachen jedoch für die entschlossene Durchführung der 
Pläne Hardenberg's. Wie schwer mußte die monarchische Gesinnung in 
diesem mit seiner Krone so fest verwachsenen Volke erschüttert werden, wenn 
zum ersten male in Preußens Geschichte die zornige Frage erklang: ob 
man an einem Königsworte drehen und deuteln dürfe? Und wie konnte
	        
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