98 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
noch einmal mit jugendlicher Schnellkraft aufgestanden, um sich einzuleben
in einen Gedankenkreis, der seiner Bildung fern lag, um sicheren Blicks
die rechten Männer, Maassen, Rother, Friese, Hoffmann, an die rechte
Stelle zu setzen und schließlich bald schmeichelnd bald schlagend alle die
Gegner von rechts und links zu überwinden, die nur er mit seiner schmieg—
samen Findigkeit besiegen konnte. Es war nicht das schlechteste Blatt in
dem vollen Kranze seines Ruhmes. —
Nach solchen Erfolgen durfte Hardenberg sich's wohl zutrauen, daß
er auch das letzte Ziel aller seiner Reformen noch erreichen und sein Tage—
werk mit der Berufung des ersten preußischen Landtags abschließen werde.
Durch die neuen Finanzgesetze war das Versprechen von 1815 förmlich
erneuert und bekräftigt, die Staatsschuld unter die Obhut der Reichsstände
gestellt, den Provinzialständen die Mitwirkung bei der Ausgleichung der
Grundsteuer zugesagt. Von so feierlichen Verheißungen wieder abzugehen
schien unmöglich. Der König hatte nicht nur diese Gesetze von freien
Stücken gebilligt, sondern auch während der Verhandlungen der jüngsten
Monate fast immer im Sinne des Kanzlers sich entschieden und ihn selbst
gegen die königlichen Prinzen nachdrücklich in Schutz genommen. Alles
schien auf gutem Wege. In einem Privatbriefe, der bald die Runde durch
die Zeitungen machte, mahnte Hardenberg, „dem langsamen aber folge-
rechten Gange der Regierung“ besseres Zutrauen zu schenken: unzweifel-
haft werde die Verfassung noch zu Stande kommen. Er hoffte um so
sicherer, über die Flüsterer und Warner, die am Hofe umherschlichen, noch
den Sieg davonzutragen, da der König alle Eingaben der altständischen
Particularisten scharf abgewiesen hatte, und außer dem wenig einfluß-
reichen Klewitz bisher noch kein namhafter Staatsmann, auch Metternich
nicht, dem Verfassungsplane offen entgegengetreten war.
Allerdings hatten die Finanzverhandlungen abermals bewiesen, daß
nicht blos Vorurtheile, sondern auch berechtigte, ernste Bedenken der
Berufung der Reichsstände entgegenstanden. Wie sollte das nothwendige
Geheimniß, das über der Bank und der Staatsschuld lag, gewahrt bleiben,
wenn die allgemeinen Landstände zusammentraten? Und war es nicht
leicht möglich, daß der Landtag die zur Sicherung des neuen Abgaben-
systems unentbehrlichen Zollverhandlungen mit den deutschen Nachbar-
staaten durch particularistische Kleinmeisterei erschweren würde? Weit über-
wiegende Gründe sprachen jedoch für die entschlossene Durchführung der
Pläne Hardenberg's. Wie schwer mußte die monarchische Gesinnung in
diesem mit seiner Krone so fest verwachsenen Volke erschüttert werden, wenn
zum ersten male in Preußens Geschichte die zornige Frage erklang: ob
man an einem Königsworte drehen und deuteln dürfe? Und wie konnte