Benzenberg. Bülow-Cummerow. 115
einem vertraulichen Briefe, „so halte ich es für ein verdienstliches Werk,
wenn man ihnen einmal erklärt, was dieser siebzigjährige Mann für den
König und für das Gemeinwesen Alles gethan hat.““) Darum ward
er auch von der liberalen Presse hart angelassen, und Grävell erwiderte
ihm in einem „Anti—B—z—b—g"“ nicht jeder Zauderer sei ein Fabius,
wie viel schneller habe man doch einst in dem aufgeklärten Königreiche
Westphalen die Steuerreform beendigt! Ja der Verleger der Zeitgenossen,
Brockhaus selbst verlegte auch den Anti—B—z—b—g und kündigte
nachher dem Bewunderer Hardenberg's als einem verdächtigen Conser-
vativen die Freundschaft auf, da „meine Zeitschriften pure dem Liberalis=
mus und seiner Verbreitung gewidmet sind“. Gleichwohl hatte Benzen-
berg sich's nicht versagen können, einige halbwahre Schlagwörter des
Tages auf seinen Gönner anzuwenden: er nannte die Städte-Ordnung
und die Agrargesetze demokratisch, schilderte den Staatskanzler als einen
entschiedenen Liberalen, der die Grundsätze von 89 in Preußen verwirk-
licht und neuerdings nur zum Schein dem Strome der Reaktion nach-
gegeben habe; er behauptete gar — was der Meinung Hardenberg's
schnurstracks zuwiderlief —, die am 22. Mai verheißene Repräsentation
des Volks schließe ihrem Begriffe nach die ständische Vertretung aus.
In der Geschichte, so weissagte er, wird man die Regierung des Königs
die bürgerliche nennen; um seiner Verfassung willen darf Preußen selbst
den Krieg mit Oesterreich nicht scheuen, der wird ihm die Herrschaft über
Deutschland sichern!
Mit lauter Schadenfreude begrüßten die Feinde der Verfassung die
ungeschickte Lobschrift. Der tiefe, bis zum heutigen Tage noch unversöhnte
Groll des brandenburgischen Adels wider den Staatskanzler fand jetzt
neue Nahrung. Nun war doch klar erwiesen, daß Hardenberg sich selber
als einen Jacobiner verherrlichen ließ, daß er das demokratische Reprä-
sentativsystem, nicht eine ständische Verfassung erstrebte. Der Staats-
kanzler fühlte, wie sehr ihn sein Bewunderer bloßgestellt. Er erklärte
sofort in den Zeitungen mit Namensunterschrift, daß er keinen Antheil
an der Schrift habe, ihren Verfasser nicht kenne, und ließ durch seinen
getreuen Scharnweber eine Erwiderungsschrift ausarbeiten, die aber so
unglücklich ausfiel, daß man sie in den Akten vergraben mußte.“) Seine
Versicherungen fanden nirgends Glauben; konnte er sich doch in seiner
Herzensgüte nicht einmal entschließen, den gewohnten brieflichen Verkehr
mit seinem Lobredner abzubrechen.
Gegen Benzenberg schrieb E. v. Bülow-Cummerow seinen „Punkt
aufs i“ — ein in Pommern angesiedelter Mecklenburger von scharfem
*) Benzenberg an Graf Solms-Laubach, 10. Aug. 1820.
**) Hardenberg's Tagebuch, 1. Nov. 1820. Das Manuscript Scharnweber's be-
findet sich noch im G. St. Archiv.
8*