Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

132 III. 3. Troppau und Laibach. 
Mit dem ganzen Ungestüm ihres Hasses und ihrer Begeisterung 
stürzten sich die beiden größten politischen Dichter der Zeit, Byron und 
Moore, die Wortführer des weltbürgerlichen Radicalismus in den Strudel 
der wilden Bewegung und begrüßten freudetrunken „das erste Jahr des 
zweiten Freiheitsmorgens“". Thomas Moore sah den Eispalast, den sich 
die heilige Allianz auf den winterlichen Schollen der Newa aufgebaut 
vor dem Sonnenstrahl aus Süden zusammenschmelzen, er sah die Völker 
im Fackelreigen die Leuchte der Freiheit von Hand zu Hand geben und 
hoffte den Tag noch zu erleben, da dies heilige Feuer auf allen Altären 
der Erde lodern, da der Bund der Fürsten der Brüderschaft freier 
Nationen weichen würde. Byron aber ließ im Don Juan den schmetternden 
Weckruf erschallen: „die Revolution allein kann von der Hölle Koth die 
Welt befrei'’n!“ — und bald kam die Zeit, da er triumphirend verkünden 
konnte: 
Auf Athos' Höh'n, am stillen Oceane, 
In beiden Welten weht dieselbe Fahnel! 
Wie hätten die Deutschen, denen die ästhetische Weltanschauung noch 
im Blute lag, den abenteuerlichen Anblick dieser vulkanischen Erschütterung 
nicht mit Entzücken genießen sollen? Entmuthigt durch die traurigen Ent- 
täuschungen ihrer ersten politischen Lehrjahre stand die Nation schon im 
Begriff, sich wieder gänzlich von den Fragen des Staatslebens abzuwenden; 
nur der romanhafte Zauber, der jene entlegenen Kämpfe umspielte, ver- 
mochte sie aus ihrer Schlummersucht aufzurütteln. Echte Ideale, gesunde 
politische Gedanken konnte sie aus den Revolutionen des Südens freilich 
nicht gewinnen. Rasch nach einander war eine Glanzzeit des literarischen 
Schaffens und dann wieder eine Epoche kriegerischen Ruhmes über Deutsch- 
land dahingegangen. Nach all dem Wunderbaren was man erlebt, er- 
schienen die stillen Friedensjahre schal und leer, und in dem tapferen 
Geschlechte, das die Schlachten des Befreiungskrieges geschlagen, erklang 
jetzt schon häufig die verzweifelte Klage, man lebe in einer Zeit des Epigonen- 
thums, die mit dem Fluche der Unfruchtbarkeit beladen sei. Welch eine 
Freude daher, als endlich wieder große Kämpfe und große Leidenschaften 
das Einerlei des Daseins zu unterbrechen schienen. Mit nervöser Neu- 
gierde verschlangen die deutschen Zeitungsleser alle die wunderbaren Nach- 
richten aus dem Süden und begeisterten sich für das oft sehr zweifelhafte 
Heldenthum der romanischen Volksführer, derweil Stein und Gneisenau 
noch unter den Lebenden weilten; selbst der nüchterne Niedersachse Reh- 
berg meinte, die spanischen Ereignisse seien vielleicht das Größte, was die 
Welt seit dreißig Jahren gesehen. Die christlich-germanischen Ideale der 
Studenten, die stolzen Erinnerungen von Leipzig und Belle Alliance ver- 
blaßten mehr und mehr. Die kosmopolitische Schwärmerei für die Ideen 
von 89 kam wieder obenauf, und dies Weltbürgerthum trug französische 
Farben, denn von dem Glorienscheine, der die südländischen Freiheits-
	        
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