Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

136 III. 3. Troppau und Laibach. 
Bewegung ungeahnte Erfolge. Ihr Sieg war gesichert, sobald sie im 
Norden, unter den zähen Gallegos festen Fuß gefaßt hatte. Am 9. März 
beschwor der König vor dem revolutionären Stadtrath der Madrider 
Commune die Verfassung von 1812. Dies Grundgesetz, das derselbe Fürst 
sechs Jahre zuvor unter dem Jubelgeschrei der Massen beseitigt hatte, galt 
dem trunkenen Volke mit einem male als die Offenbarung der Freiheit. 
Der heilige Codex ward durch die Straßen getragen und mit snie- 
beugungen verehrt wie sonst das Allerheiligste; die Kinder in den Volks- 
schulen lernten den Katechismus des göttlichen Gesetzbuchs. In den neu 
berufenen Cortes entfaltete sich die ganze Pracht der melodischen spanischen 
Beredsamkeit; stürmischer noch erklangen die großen Worte in dem radicalen 
Klub das Cafe Lorencini, der bald in der Hauptstadt ebenso mächtig 
schaltete, wie einst der Jacobinerklub in Paris. Massenhaft wurden die 
Werke Voltaire's, Diderot's, Rousseau's über die befreite Grenze eingeführt 
um das Volk mit den Heilslehren der Revolution zu tränken. Einige 
Monate hindurch badete sich das Land in einem Meere der Glückseligkeit. 
Was andere Völker in jahrelangen Kämpfen nicht erreichen konnten — 
so triumphirte die Madrider Presse —, das hat Spanien errungen durch 
sechs Jahre der Geduld, einen Tag der Erfüllung und zwei Tage der 
Freude; bald werden die Fremden zu uns kommen um wahre Freiheit 
und Menschenwürde kennen zu lernen; Nationen, bewundert Spanien! 
Heere, ahmet unserer Tapferkeit nach! 
Es klang wie ein Märchen aus der verkehrten Welt, daß diese selbst- 
genügsame Nation, die sich von den anderen Völkern stets am sprödesten 
abgeschlossen hatte und darum unter allen am wenigsten die Kraft der 
Propaganda besaß, jetzt den Anspruch erhob den Europäern das Gesetz 
der Freiheit zu geben. Und doch wurde dies unbekannteste Land Europas 
eine Zeit lang wirklich von der Presse aller Völker als die Heimstätte der 
politischen Weisheit gepriesen. Lichter Ruhm umstrahlte den spanischen 
Namen noch von den napoleonischen Zeiten her; wie dies Heldenvolk sich 
einst zuerst gegen den Imperator erhoben hatte, so schien es jetzt wieder 
der schlummernden Welt das Zeichen zu geben zum Kampfe um die 
constitutionelle Freiheit. Der vollständige und fast überall unblutige 
Erfolg täuschte auch Besonnene über die Kraftlosigkeit dieser Revolu- 
tion, alle ihre Sünden erschienen unschuldig neben der grausamen 
Mißregierung der letzten Jahre. Selbst das entsetzliche Schauspiel der 
Militärverschwörungen erregte wenig Aergerniß, denn die liberale Welt 
war beherrscht von Widerwillen gegen die stehenden Heere und sah in 
eidbrüchigen Soldaten nur Unglückliche, die ihr Menschenrecht zurück- 
forderten. 
Der Führer des aufständischen Heeres, ein nichtiger, prahlerischer 
Demagog, wurde zum Helden des Tages; in Paris und London, in 
Wien und Berlin trug man Cravatten à la Riego. Und wie der spanische
	        
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