142 III. 3. Troppau und Laibach.
der Parteikampf mildere Formen annehmen würde. Damals erregten
die Betrachtungen der Frau von Stasl über die französische Revolution
allgemeine Bewunderung — das politische Testament der Tochter Neckers,
das noch einmal mit der ganzen Selbstgerechtigkeit des französischen Doktri—
narismus die alten, dem Herzen der Verstorbenen so theuren constitu—
tionellen Heilswahrheiten verkündigte: nur wenn Frankreich unbedingt
die englischen Institutionen annehme, könne die Nation wieder gesunden
und eine neue Blüthezeit der Künste und Wissenschaft erleben; dann
würden auch die Frauen wieder tugendhafter werden und der Ehrgeiz
der Männer nicht mehr nach dem Mammon, sondern nach den edleren
Kränzen des patriotischen Ruhmes trachten; wählet, so schloß sie, zwischen
der Ruhmsucht und der Geldgier! Diese Weissagungen der edlen Frau,
die sich von der wachsenden Macht der Börse und ihrem Einfluß auf
die Abgeordneten offenbar nichts träumen ließ, fanden noch begeisterte
Gläubige; die ganze mächtige Partei der Doktrinäre, der weitaus die
meisten literarischen Talente der Nation angehörten, gab sich der ehrlichen
Hoffnung hin, daß die parlamentarischen Formen den Franzosen einen
neuen Idealismus erwecken würden.
Und doch fehlte diesem Volke die erste Vorbedingung constitutioneller
Freiheit, die Achtung vor dem Rechte. Es war Frankreichs Schicksal, alle
die großen Kämpfe, welche Europa erschütterten, mit höchster Leidenschaft
durchzufechten. Tödlich verfeindet wie einst Ligisten und Hugenotten standen
Legitimisten und Radicale einander gegenüber, Beide zu schwach zur Herr—
schaft, Beide stark genug um den verfassungstreuen Mittelparteien die
Massen des Volks zu entfremden. Während das Comité directeur
der revolutionären Vereine an seinen Verschwörungsplänen weiter spann,
führten die Ultras des Pavillons Marsan ebenso unbelehrbar den ge-
heimen Krieg gegen die Charte fort. Noch immer waren die Emigranten
für ihre Verluste nicht entschädigt, und so lange der Raub der Revolu-
tion ganz ungefühnt blieb, konnte die Partei, die sich so gern für die
Stütze des Thrones ausgab, die neue Ordnung der Dinge nicht ehrlich
anerkennen. Von Altersher war sie an verrätherische Zettelungen mit
dem Auslande gewöhnt; auch jetzt wieder bestürmten Chateaubriand und
andere Ultras die großen Mächte mit Bitten und Rathschlägen. Im
Oktober 1819 kam in tiefem Geheimniß ein Anhänger des Grafen von
Artois nach Berlin und überreichte hier wie in Wien eine Denkschrift,
welche die Höfe der großen Allianz beschwor, mit Hilfe des Thronfolgers
dem verblendeten Könige die Augen zu öffnen und ihn zu einem Staats-
streiche zu bewegen; im Nothfalle würde der verständige Theil der Nation
sogar eine Intervention des Auslands zu Gunsten der königlichen Voll-
gewalt willkommen heißen.“)
) Mémoire sur la situation de la France et sur les moyens de sauver cette
monarchie, Okt. 1819. Observations dazu, aus Oesterreich gesendet, Okt. 1819. Replik