Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die deutschen Ultras. 11 
fühlte er sich von Neuem bestärkt in seiner alten Meinung, daß von dieser 
tödlich gehaßten norddeutschen Großmacht „der politische Gährungsstoff 
ausgehe“, und polterte mit maßloser Heftigkeit wider den preußischen 
Minister. 
Die Vertreter der welfischen Häuser, Münster und Hardenberg, 
standen, wie von der Gefolgschaft der Hochtorys zu erwarten war, den 
Ansichten dieser beiden reaktionären Heißsporne sehr nahe, doch sie trugen 
Bedenken sich mit den Großmächten zu überwerfen. Wie anders als in 
Karlsbad war jetzt Metternich's Lage. Wohl erschien er noch immer vor 
der Welt als der bewunderte Führer der deutschen Staatsmänner, und 
dem Meister zu Ehren ward das mühselige Werk, das nach sechsmonat— 
lichen Verhandlungen endlich zu Stande kam, vom 15. Mai, dem Geburts- 
tage Metternich's datirt. Aber während er in Karlsbad den Herrn gespielt 
hatte, vereinbarte er in Wien fast jeden wichtigen Schritt zuvor mit 
Bernstorff, der hier zuerst eine ganz selbständige Haltung zeigte und seiner- 
seits wieder insgeheim mit Zentner Rücksprache nahm. Der Oesterreicher 
ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken und erzählte in seinen Briefen 
mit gewohnter Ruhmredigkeit von den ungetrübten Triumphen seines neuen 
diplomatischen Feldzugs. In Wahrheit entsprach die Politik der Com- 
promisse, welche auf diesen Conferenzen eingehalten wurde, wohl der ge- 
mäßigten Gesinnung des Berliner Cabinets, aber keineswegs den Herzens- 
wünschen der Hofburg; wußte doch Jedermann, daß die beiden Ultras 
Berstett und Marschall neben dem Mecklenburger Plessen die erklärten 
Lieblinge Metternich's waren. 
Unterstützt von dem zweiten Bevollmächtigten Küster, der die Sinnes- 
weise der kleinen Höfe noch von den Regensburger Zeiten her gründlich 
kannte, errang sich Bernstorff durch kluge Nachgiebigkeit und ungeheu- 
cheltes Wohlwollen rasch eine sehr günstige Stellung, so daß ihn Zentner 
die Seele der Conferenzen nannte. ) Er vermied es in den Plenarver- 
sammlungen allzuhäufig zu reden, da Preußen in acht von den zehn Aus- 
schüssen, welche die Geschäfte der Conferenzen vorbereiteten, den Vorsitz 
führte und in allen zehn vertreten war. Der Gewinn aus den langwierigen 
Berathungen konnte nur dürftig sein; ihr Verlauf bewies für alle Zu- 
kunft, daß ein Bund, der seinen Gliederstaaten die Souveränität zu- 
gesteht, auf jede gesunde bündische Entwicklung verzichten muß. Immerhin 
einigte man sich doch über die Auslegung mehrerer gar zu kümmerlichen 
Artikel der Bundesakte sowie über einige gemeinsame Grundsätze für das 
Verfassungsleben der Einzelstaaten; die Ergänzung des Bundesrechts, 
welche hier zu Stande kam, war mindestens etwas brauchbarer als die 
Bundesakte selbst, und was das Beste blieb, man unterließ jeden Schritt 
der Willkür, der die erbitterte Nation von Neuem aufregen konnte. 
—. 
*) Zastrow's Bericht, München 5. Juli 1820. 
 
	        
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