Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Berathung über die Rechte des Bundes. 15 
gesetzgeberischen Aufgaben genügen kann. Da außer Zentner, Hach und 
Berg kein erfahrener Jurist den Conferenzen beiwohnte, so gerieth ihr 
Werk in der Form ebenso mangelhaft wie einst die Bundesakte, und auch 
der Wortlaut des Art. 8 verrieth die unsicherern Hände juristischer Dilet— 
tanten. Er verbot den Landständen nur, die Bundesgesandten zur Ver— 
antwortung zu ziehen, doch er verbot ihnen nicht, ihre constitutionellen 
Minister wegen des Inhalts der nach Frankfurt gesendeten Instruktionen 
zur Rede zu stellen, und bald genug sollte man erfahren, daß die Con— 
ferenz das Bundesrecht nur um ein neues unlösbares Räthsel bereichert 
hatte. Die schwierige Frage, ob den Landtagen eine mittelbare Einwirkung 
auf den Gang der Bundespolitik zukomme, hat so lange dieser Bund bestand 
niemals eine klare Antwort gefunden. 
Sehr heftig stießen die Parteien auf einander, als sodann die ver— 
fassungsmäßige Einstimmigkeit der Bundesbeschlüsse zur Sprache kam. Da 
entfalteten Berstett und Marschall ihre ganze Beredsamkeit; sie verlangten 
Mehrheitsbeschlüsse für alle die Fragen, welche nicht über die wesentlichen 
Zwecke des Bundes hinauslägen, und gaben deutlich zu verstehen, daß sie 
dereinst noch zu gelegener Zeit durch Stimmenmehrheit ein Bundeszollgesetz 
und einen Bundesbeschluß über die Rechte der Landtage durchzusetzen 
hofften.) Eben diese Hintergedanken der beiden seltsamen Unitarier 
nöthigten den preußischen Minister, auf den Bestimmungen der Bundesakte 
zu bestehen; er wollte sein Zollgesetz dem Belieben der Bundestagsmehr- 
heit ebenso wenig preisgeben wie Zentner seine bairische Verfassung. So 
lange die Kleinstaaten, die kaum den sechsten Theil der Nation umfaßten, 
die anderen fünf Sechstel überstimmen durften, blieb das aberwitzige Recht 
des Liberum Veto eine unentbehrliche Nothwehr gerade für die lebens- 
kräftigeren Staaten. Dies stand nach den traurigen Erfahrungen der letzten 
Jahre außer Zweifel; darum war auch Hardenberg, der noch in Teplitz 
die Rechte der Bundesmehrheit zu erweitern gedacht hatte, längst wieder 
anderen Sinnes geworden. Selbst Metternich erkannte jetzt die Unaus- 
führbarkeit jener Teplitzer Pläne; er warnte die Versammlung, daß sie 
den Staatenbund ja nicht in einen Bundesstaat verwandle, und ver- 
wahrte sich lebhaft wider den gehässigen Ausdruck Liberum Veto, da dies 
Recht des Einspruchs von der Souveränität unzertrennlich sei. Preußen 
unternahm noch einen Vermittlungsvorschlag: falls eine organische Ein- 
richtung am Bundestage zwar die Zustimmung der Mehrheit, doch nicht 
einstimmige Annahme fände, dann sollten die Staaten der Majorität 
befugt sein, unter sich ein Abkommen, nach Art der altschweizerischen Kon- 
kordate zu schließen. Der Antrag fiel, weil man die Entstehung gefähr- 
licher Sonderbünde befürchtete. So blieb es denn im Wesentlichen bei 
  
*) Bernstorff's Bericht, 16. April 1820.
	        
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